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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Rehn
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»Das würde der Geschäftsleitung sicher nicht gefallen«, »Sollen wir uns wirklich dazu herablassen?« oder auch das prägnantere »Igitt!« Unser Hang, strittige Themen moralisch aufzuladen, bewirkt, dass wir uns an das halten, was sich geziemt, an das Langweilige und Mittelmäßige. Moralisierung bindet uns an jene Dinge, die niemanden irritieren. Kurz gesagt: Moral hält uns in der Sphäre der Nichtkreativität gefangen.
    Wer sich aus dieser Falle befreien und ein wenig von jenem schmutzigen Ding namens Kreativität in die Gleichung einbringen möchte, tut vielleicht gut daran, den einen oder anderen obszönen Gedanken zuzulassen. Natürlich möchte ich Ihnen damit nicht nahelegen, Orgien in Ihrem Sitzungsraum abzuhalten – obwohl das je nach Verrücktheit Ihrer Kollegen durchaus Spaß machen könnte. Vielmehr sollten Sie Ihre Gedankenwelt auf das Feld der Begierden ausdehnen, anstatt im Reich des Anstands zu verharren. Wir müssen einsehen, dass unsere kreative Rolle insbesondere in einem Unternehmenskontext nicht darin besteht, anderen ihre Lebensführung zu diktieren, sondern vielmehr darin, sie zu eigenständigen Handlungen zu befähigen, sodass sie ihr Potenzial realisieren und ihre Sehnsüchte verwirklichen können. 4
    Wir sind alle Sünder
    Hier ein Beispiel aus der Dienstleistungswirtschaft: Ich bin ein ausgesprochener Morgenmuffel und arbeite oft im Hotel. Warum räumen so viele Hotels um Punkt 10 Uhr ihr Frühstücksbuffet ab? Obwohl ich für mein Hotelzimmer oft einen weit überzogenen Preis bezahlt habe, muss ich hinnehmen, dass ich ein Frühstück nur zu »angemessenen« Tageszeiten erhalte. Nun verhält es sich so, dass ich ein schönes, großes Frühstück gegen 11 Uhr morgens sehr schätze, doch aus irgendeinem Grund scheinen Hotels das als äußerst unangemessen zu betrachten und als Indiz dafür, dass ich eine unmoralische Person sei (was ja durchaus sein kann, doch das ginge sie dann wirklich nichts an). Daher bemühen sie sich nach Kräften, mich unter Strafandrohung zu konformem Verhalten zu zwingen. Offensichtlich ist das Hotel um mein Seelenheil bemüht, weshalb es dafür sorgen möchte, dass ich nicht so unziemliche Dinge tue, wie lange zu schlafen oder am helllichten Tage Sex zu haben. Also bemüht es sich nach Kräften, mich zu kontrollieren, etwa durch die exakte Vorschrift der Frühstückszeiten – unsere Sünden müssen ja schließlich bestraft werden.
    Erstaunlich viele Dienstleistungsunternehmen machen es nicht viel anders. Sie (also der Kunde) sollen sich gefälligst an die althergebrachten Konventionen halten: ordentlich vorausplanen, die Geschäftszeiten beachten, Geld stets im Voraus abheben – nur nicht darüber nachdenken, dass man manches ja auch anders handhaben könnte. Der Zusammenhang mit Sex mag als angreifbar erscheinen, aber das zugrunde liegende Prinzip ist identisch – es geht darum, ein »angemessenes« Verhalten sicherzustellen. Männer sollen keine Kosmetika verwenden. Die Kunden sollen begreifen, wie es bei uns läuft. Menschen, die auf dem morgendlichen Flug von London nach Kopenhagen schon nacheinem alkoholischen Getränk verlangen, sind nicht die Leute, die wir uns als Kunden wünschen. Und so weiter und so fort.
    Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer kreativeren Organisation besteht daher in der Erkenntnis, dass Menschen jeweils unterschiedliche Begierden haben sowie unterschiedlich an Dinge herangehen und es nicht Aufgabe eines Unternehmens sein kann, über die Angemessenheit dieser Herangehensweisen zu richten. Wer sich von seiner Sichtweise dessen, was als »angemessen« zu gelten hat, einschränken lässt, wird nicht so weit kommen, wie es ansonsten möglich wäre. Ich habe dieses Kapitel mit einem leicht schlüpfrigen Beispiel eingeleitet, das bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht so schlüpfrig ist. Die meisten Leser dieses Buches werden wohl Schamhaare haben, und daran ist nichts Schmutziges zu erkennen. Die Vorstellung, sie einzufärben, mag manchem sonderbar erscheinen, doch wenn Sie Lust dazu haben, warum nicht?
    Die interessante Frage lautet hier nicht, warum Menschen sich für eine Schamhaartönung entscheiden, sondern vielmehr, warum wir auf dieses Beispiel mit Unwohlsein reagieren. Hat Sie das Beispiel verlegen gemacht? Sind Sie errötet? Fanden Sie das Beispiel dumm, uninteressant oder kindisch? All diese Reaktionen spiegeln Versuche Ihres Gehirns wider, Sie in Schach zu halten und sicherzustellen, dass sich Ihre Gedanken

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