Gefährliche Ideen
Hingegen ist der Kommentar »Ihre Idee gründet auf völlig falschen Annahmen, und ich zeige Ihnen, warum« durchaus konstruktiv (auch wenn er womöglich vernichtend ist), da er sich individuell mit der Idee beschäftigt. Menschen, die sich auf diesen zweiten Kritiktypus verstehen, sind für kreative Organisationen ungemein wichtig, da sie ein Schutzschild gegen die Herrschaft blasser und verwässerter Ideen bilden. Gleichzeitig zeigen sie potenziellen Erneuerern die Spielregeln für ihr Engagement auf und verdeutlichen ihnen, welche Hürden überwunden werden müssen, um eine Veränderung umzusetzen.
Ein schlechter Freund von Kreativität ist derjenige, der nichts infrage stellt und sich daher zur Mauer des Schweigens gesellt, die weitaus mehr Ideen auf dem Gewissen hat als die Kritik.
Dieser produktive Widerstand ist etwas, das jede gute Führungskraft in ihrem Unternehmen verankern sollte, denn er vermag es, das unternehmerische Denken und die Ideenbildung der Organisation zu schärfen. Wie Saj-Nicole Joni und Damon Beyer in ihrem Artikel »How to Pick a Good Fight« (erschienen in der
Harvard Business Review
) erläutern, liegt eine Hauptkompetenz bei der Führung einer kreativen Organisation in der Fähigkeit, produktive Konflikte herbeizuführen, die die Organisation weiterbringen können. Ein Teil dieser Kompetenz besteht darin, Feinde aufzuspüren und zu hegen, während ein weiterer in der Fähigkeit liegt, eine Firmenkultur zu etablieren, in der Konflikte nicht als destruktiv, sondern als produktiv angesehen werden. Als guter Feind einer kreativen Idee kann derjenige gelten, der produktiven Widerstand leistet und der eine Schlacht mit Würde verloren gibt. Ein schlechter Freund von Kreativität ist hingegen derjenige, der nichts infrage stellt und sich daher zur Mauer des Schweigens gesellt, die weitaus mehr Ideen auf dem Gewissen hat als die Kritik.
Solche Feinde der produktiven Art sind für Kreative ungeheuer wichtig, denn sie sorgen im Unternehmen für eine Art Spannungszustand, eine Oberflächenspannung, an der man seine Idee testen und schärfen kann. Der weltbekannte Autodesigner Jerry Hirshberg hat dies als »kreativen Abrieb« bezeichnet, doch auf die genaue Terminologie kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass die Führungskraft gute Feinde heranzüchtet und somit die bestmögliche Umgebung für die Entwicklung großartiger Ideen schafft. Gleichzeitig zeigt sie damit dem Unternehmen, dass auch der Außenseiter eine wichtige Rolle spielt. Konsens lässt uns alle in derselben grauen Einheitsmasse versinken, während echte Kreativität sehr viel mit Konfrontation und Skandal zu tun hat.
Skandal!
Achtung: Wenn Sie vorhaben, ihre Kreativität nachhaltig zu steigern, dann sollten Sie möglichst viele Skandale auslösen. Denken Sie beispielsweise an Yves Saint Laurent. Als Teil seiner Pop-Art-Kollektion schuf er 1966 Le Smoking, einen streng geschnittenen, Smoking-ähnlichen Anzug für Damen. Mit seinen anstößigen Formen und der unerhörten Botschaft, dass Frauen Anzüge als Abendgarderobe tragen könnten, sorgte er umgehend für einen Skandal. Zahlreiche Menschen fanden, dass der Modedesigner zu weit gegangen war, und betrachteten den Anzug als klaren Beweis dafür, dass Mode einen üblen Angriff auf gesellschaftliche Werte darstellte. Schadete Yves Saint Laurent diese Kritik? Im Gegenteil, sie verdeutlichte ihm ebenso wie Außenstehenden, dass irgendetwas an Le Smoking einen empfindlichen Nerv getroffen hatte – etwas, das die bis dahin geläufigen Vorstellungen dessen, was als anständig und angemessen zu gelten habe, infrage stellte. Ohne diese Reaktion wäre der Anzug niemals zu der Mode-Ikone geworden, die er ist, und es hätte Yves Saint Laurent deutlich mehr Mühe gekostet, andere unkonventionelle Ideen durchzusetzen. Die Reaktion zeigte, dass er aufeiner heißen Spur war! Seine Lehren aus diesem Skandal erwiesen sich bei der späteren Einführung seines ersten Herrenparfüms als sehr nützlich, denn er vermarktete dieses mithilfe einer Werbeanzeige, deren Hauptelement in einem Nacktfoto von ihm bestand, geschossen von dem gefeierten Fotografen Jean Loup Sieff. Diese Anzeige verursachte einen neuerlichen Skandal, und ihr Abdruck wurde von verschiedenen großen Modemagazinen abgelehnt. Natürlich erwies sich das Parfüm als unmittelbarer und durchschlagender kommerzieller Erfolg.
Seine bewusste Suche nach Spannungspunkten in Bezug auf seine Umwelt (vergleichbar den Punkten kreativen
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