Gefährliche Ideen
Unbehagens innerhalb von Organisationen) ermöglichte es Yves Saint Laurent, wichtige Informationen darüber zu erhalten, welche Teile seiner Arbeit wirklich kreativ waren und welche nur passabel. Ich interpretiere sein Vorgehen so, dass er Skandale nicht einfach auslöste, um als anrüchig zu gelten, sondern um die Medien und seine Umwelt als Lackmustest für die eigene Kreativität einzusetzen. Hinsichtlich der Mängel und der Wirkung unserer Arbeit neigen wir alle zu einer gewissen Betriebsblindheit, und jene Bereiche unseres Schaffens, die wir als besonders wichtig oder kreativ erachten, erweisen sich beim Realitätstest oft als Flop. Die Strategie von Yves Saint Laurent, Skandale zu verursachen, zeigte unzweideutig auf, welche seiner Kreationen erfolgreich waren, wo er besonders kreativ agierte und was trotz aller guten Absichten wenig interessant war. Jeder von uns kann seine Feinde in gleicher Weise nutzen: als Resonanzboden für seine Ideen – und daher sollten wir uns über hochkarätige Opposition freuen.
Drei wichtige Feinde
Führungskräfte, die ihr Unternehmen kreativer machen möchten, sollten allerdings nicht danach streben, immer neue Wellen an Kritik hervorzurufen, sondern vielmehr versuchen, ein Gleichgewicht innerhalb ihrer Organisation zu schaffen. Sie solltenfür ein Umfeld sorgen, in dem die Mitarbeiter sich trauen, neue Ideen vorzustellen, und das gleichzeitig genügend produktiven Widerstand bietet, um diesen Ideen zur Blüte zu verhelfen. Ersteres erfordert Mitarbeitermotivation und die Schaffung von Freiräumen zur Erprobung neuer Ideen – auch wenn diese zunächst als seltsam oder anstößig erscheinen mögen. Zu diesem Thema gibt es unzählige Bücher. Die zweite Anforderung jedoch ist komplizierter, und da sie einen weniger angenehmen und kuscheligen Aspekt von Kreativität widerspiegelt, wird sie oft vergessen oder schlicht ignoriert.
Auf dem Gebiet des produktiven Widerstands gilt es drei Schlüsselrollen zu besetzen, die jeweils unterschiedliche Test- und Kritikformen beinhalten. Zur besseren Entwicklung sollte eine Idee mit sämtlichen dieser Herausforderungen konfrontiert werden. Diese Rollen sind nicht an Persönlichkeitstypen gebunden und können leicht von ein und derselben Person ausgefüllt werden, doch vielen Menschen fällt von Natur aus eine bestimmte Rolle zu.
1. Die erste Rolle ist diejenige des Traditionalisten oder Wächters , eines Charakters, der auf neue Ideen mit Skepsis reagiert. Die Bedeutung dieser Rolle liegt weniger in ihrem Beitrag zur Entwicklung der Idee als in ihrer Funktion als Gradmesser: Falls sich beim Wächter weder ein nervöses Gesichtszucken noch ein zweifelnder Blick einstellt, ist die Idee womöglich nicht interessant genug. Genauso wie ein Barometer Veränderungen des Luftdrucks misst, zeigt ein Wächter das Potenzial einer neuen Idee an und stellt damit eine entscheidende Kontrollinstanz dar. Der Traditionalist kann auch als Test dafür dienen, ob der Verteidiger einer neuen Idee ausreichend engagiert ist, um sie gegenüber dem Wächter zu verfechten. Wenn dieser beginnt, sich für die Idee zu interessieren, solltedie Führungskraft dies als Signal begreifen. Reagiert er beleidigt, könnte man dies allerdings als ein noch positiveres Signal werten …
2. Sobald feststeht, dass die Traditionalisten ordentlich irritiert sind, muss die Idee unbedingt einem Advocatus Diaboli ausgesetzt werden. Diese Rolle sorgt mithilfe kritischer Analyse und strenger Prüfung dafür, dass Neues nicht unkritisch übernommen wird. Die sorgfältige Ausübung dieser Rolle ist eine schwierige und fordernde Tätigkeit, weshalb der Leiter einer kreativen Organisation dafür sorgen sollte, dass die wenigen Mitarbeiter, die hierzu in der Lage sind, gehegt und gepflegt werden. Der Advocatus Diaboli muss imstande sein, eine Idee aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu hinterfragen, während er gleichzeitig dem Gegner genügend Freiraum lässt, seine Argumentation so zu entwickeln und zu stärken, dass er zu einem Konter ausholen kann.
Ein guter Advocatus Diaboli muss die Rollen beider Parteien objektiv betrachten können und darf sich nicht mehr als notwendig emotional oder persönlich engagieren. Es geht bei dieser Testrolle weniger darum, eine Idee in ihre Einzelteile zu zerlegen, als vielmehr darum, ihre verwendbaren Elemente zu verfeinern. Begibt sich der Advocatus Diaboli im Laufe dieses Prozesses allzu stark auf eine emotionale Ebene, so wird die Kritik
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