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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Rehn
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hohe Anziehungskraft aus, und ohne den beständigen Drang nach Neuem hätte die Menschheit nicht solche schwindelnden Höhen erreicht. Man sollte allerdings beachten, dass dieses Lob sowohl einen
Legitimationsprozess
als auch einen
Moralisierungsprozess
darstellt. Unsere Bewunderung für Originalität drückt aus, dass diese nicht nur ein mögliches, sondern ein
unerlässliches
Ziel sei. Gleichzeitig unterstellt sie, dass alles, was sich nicht in die Kategorien Kreativität und Originalität einordnen lässt, minderwertig sei. In einfachen Worten ausgedrückt, besagt dieses Argument, dass Originalität gut und Kopieren schlecht ist. Und wir alle glauben daran.
    Ist Originalität wirklich so sinnvoll?
    Die Realität ist bei weitem nicht so schlicht und unkompliziert. Es stimmt nicht, dass neue Ideen immer die besten sind oder dassKopieren immer minderwertig wäre. Dies trifft weder bei der Strategieentwicklung noch bei Innovationen zu – und ganz sicher nicht im Marketing. Im Gegenteil gibt es zahlreiche historische Beispiele, in denen Neuentwicklungen sich als völlige Fehlschläge erwiesen und Kopien das Original übertreffen konnten. Denken Sie beispielsweise an Google. Viele Leute haben Google als ausgesprochen kreatives Unternehmen gelobt (US-amerikanische Wirtschaftsmagazine überbieten sich darin, Google für seine Originalität zu preisen, bisweilen in recht unterwürfiger Art), und wer ein wenig herumfragt, trifft erstaunlich oft auf die Meinung, dass Google das Konzept der Internetsuche überhaupt erst erfunden habe. Was allerdings nicht zutrifft. Google betrat das Spielfeld in einer Zeit, als der Markt massiv expandierte, und war damals nur eine Suchmaschine unter vielen. Natürlich besaß das Unternehmen stets eine saubere Web-Eingangsseite und einen ordentlichen Suchalgorithmus, aber die Behauptung, dies alles sei ein echtes Original, ist nicht sehr glaubhaft. Wer Google heute untersucht, findet ein Unternehmen, das für seine vielen brillanten webbasierten Dienstleistungen berühmt ist, dessen beliebteste Anwendungen jedoch zumeist nur Kopien oder Weiterentwicklungen von Diensten sind, die anderswo konzipiert worden sind.
    Die Chancen stehen recht gut, dass Sie, lieber Leser, obige Passage gelesen und daraus geschlossen haben, dass ich Google kritisiere. Nichts läge mir ferner. Ich verstehe aber, warum man zu so einem Schluss kommen könnte. Da wir kulturell darauf gedrillt sind, jede Anspielung auf ein Kopieren negativ zu bewerten, gelangen wir leicht zu der Annahme, dass die Aussage, ein Unternehmen kopiere, gleichbedeutend mit einer Kritik an diesem Unternehmen sei. Wenn ich feststelle, dass Google in hohem Maße kopiert hat, tue ich dies voller Lob und Neid.
Google ist brillant, da es unglaublich gut kopiert!
Darin ist es übrigens nicht einzigartig.Es soll immer noch Menschen geben, die glauben, dass McDonald’s die erste Hamburger-Kette war. Doch weit gefehlt: Der Vorreiter aller Hamburger-Ketten war White Castle, und in der Geschichte des Aufstiegs von McDonald’s zum weltweiten Marktführer findet sich nur wenig Originelles – vielleicht mit Ausnahme des Big Mac, jenes Burgers, der entgegen den Firmenprinzipien von einem kleineren Franchisenehmer entwickelt wurde (doch das ist eine andere und viel gefährlichere Geschichte). Nein, sowohl McDonald’s als auch Google (wie auch zahllose andere Unternehmen) machten sich ein Prinzip zunutze, das man als Nth-Mover-Vorteil bezeichnen könnte; sprich: Der späte Vogel fängt den Wurm
    In der Theorie des strategischen Managements spricht man ja oft vom »First-Mover-Vorteil«. Hiermit ist der Nutzen gemeint, der daraus erwächst, dass man als erster Akteur in einem neuen Markt auftritt. Doch dieser Nutzen ist oft recht begrenzt, während die damit verbundenen Kosten enorm hoch sein können. Das Pionierunternehmen in einem neuen Geschäftsfeld ist gezwungen, alle Fehler selbst zu machen; es muss Kunden überzeugen und unterrichten und den Absatzmarkt schaffen und ausbauen. Nachzüglerunternehmen können womöglich nicht den Neuigkeitseffekt ausbeuten, doch dafür müssen sie auch nicht mit der gleichen Unsicherheit leben und die gleichen hohen Kosten tragen wie der Pionier. Wer den Markt als sechster oder siebter Akteur betritt, kann oft das beste, gründlich entwickelte und getestete Angebot präsentieren – und zwar ohne die damit verbundenen Entwicklungskosten schultern zu müssen.
    Kopieren kann daher eine äußerst erfolgreiche Strategie sein,

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