Gefährliche Intrigen
noch eine blutige Puppe, als er tief unter ihr zum Liegen kam. Emma hielt sich die Hände vor den Mund, um die schluchzenden Laute, die sie nicht zurückhalten konnte, zu dämpfen. Angst und Schmerzen vermischten sich zu einer Panikattacke.
Emma fürchtete, die Mörder könnten sie hören. In ihren eigenen Ohren klang jeder Atemzug so laut wie das Läuten einer Kirchenglocke. Sie hielt die Luft an und presste sich so flach auf den Boden, wie ihre Reifröcke es zuließen. Die Männer durften sie nicht entdecken! Stumm betete sie vor sich hin.
Doch zum Glück war ihre Angst unbegründet: Keiner der beiden bemerkte die verletzte Gestalt. Es dauerte nicht lange und die Stimmen erstarben erneut. Emma musste sich jetzt beeilen. Das Risiko, bei einer neuerlichen Rückkehr der Mörderbande doch noch entdeckt zu werden, war einfach zu groß. Schließlich wusste sie nicht, ob die arme Molly das Schicksal des Kutschers teilen würde.
Außerdem wurde es von Minute zu Minute dunkler. Sie musste es schaffen, den steilen Abhang nach oben zu klettern, wenn möglich, ohne sich dabei zu Tode zu stürzen. Dazu brauchte sie auf jeden Fall das letzte bisschen Tageslicht.
Wenn sie es erst einmal bis oben schaffen würde, dann könnte sie sich ein sicheres Versteck suchen. Womöglich konnte sie auch dem Weg zurück folgen, und Molly finden. Ihre Zofe konnte immerhin noch am Leben sein, und benötigte vielleicht ebenfalls Hilfe. Fest entschlossen, hier und heute nicht zu sterben, warf sie ihren Mantel ab. Der gefütterte Stoff war zu schwer. Sie befestigte die Pistole mit einem Band ihres Kleides an ihrem Oberschenkel, um beide Hände freizuhaben. Vorsichtig versuchte sie mit einem weichen Stückchen Stoff, den sie von einem ihrer Unterröcke abgerissen hatte, die Blutung an ihrer Schläfe zu stoppen. Ihr blass-gelbes Kleid schob sie bis zur Hüfte hinauf, um dort das Band, mit dem die zwei Reifröcke an ihrer schlanken Taille befestigt waren, zu lösen. Die Röcke rutschten zu Boden und bauschten sich um ihre Füße. Doch auch die oberste Lage Stoff würde sie beim Klettern behindern. Sie zögerte kurz, dann riss sie kräftig am spitzenbesetzten Saum. Ein langer Schlitz bis zum Oberschenkel sollte da Abhilfe schaffen. Nun hatte sie deutlich mehr Beinfreiheit.
Die Vorbereitungen hatten Emma erschöpft, ihre Wangen waren gerötet, und auf ihrer Stirn bildeten sich bereits Schweißperlen. Vorsichtig schob sie sich das erste Stückchen empor. Sie tastete mit den Händen solange herum, bis sie einen Fels fand, der fest genug saß, um sich daran ein weiteres Stück nach oben zu ziehen. Hier und da fand sie auch an einer Wurzel Halt, die durch eine Gerölllawine freigelegt worden war. So arbeitete sie sich Meter um Meter den steilen Abhang hinauf.
Die junge Frau kämpfte mit ihrer Angst, der Erschöpfung und den Schmerzen. Doch sie blickte kein einziges Mal zurück. Als Emma endlich kraftlos und mit zitternden Muskeln die Kante erreichte, war es bereits dunkel. Sie rollte sich zur Seite und holte einige Male tief Luft. Minutenlang blieb sie reglos im Gras liegen. Dann stand sie auf. Der Boden unter ihren Füßen schwankte noch leicht, doch der Entschluss zu handeln, anstatt abzuwarten, was das Schicksal sich für sie ausgedacht hatte, gab ihr neue Kraft. Sie beschloss, den Weg, den sie gekommen war, zumindest ein Stück weit zurückzugehen, um nach Molly zu sehen. Emma redete sich ein, dass Molly vermutlich auch schon nach ihr suchte. Die Vorstellung, ganz allein - nur in Gesellschaft zweier Mörder - die Nacht im Wald zu verbringen, jagte ihr eine Heidenangst ein. Sie zog die Pistole unter ihrem zerschlissenen Rock hervor. Emma hatte zwar noch nie eine Waffe abgefeuert, aber so schwer konnte das ja nun auch wieder nicht sein.
Um nicht so leicht gesehen zu werden, hatte sie den Weg verlassen und schlich sich stattdessen dicht am Waldrand entlang. So konnte sie sich, sollten die Männer noch in der Nähe sein, schnell ins Unterholz drücken. Immer wieder warf sie einen Blick zurück, um zu sehen, ob ihr jemand folgte, aber da war niemand. Sie kam so ganz gut voran. Doch plötzlich, sie spürte es mit jeder Faser ihres Körpers, war sie nicht länger alleine!
Kapitel 6
Obwohl das letzte Tageslicht beinahe verschwunden war, konnte Logan den Frauenkörper, der leblos vor ihm auf dem Weg lag, deutlich erkennen. Er hatte seine Waffe bereits gezogen, aber das Gefühl der akuten Bedrohung, das er eben noch so deutlich gespürt hatte, war
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