Gefaehrliche Liebe
erzählt, was auf dem Platz passiert ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn Cinna und Portia Bescheid wüssten, doch es scheint ein unausgesprochenes Einverständnis darüber zu geben, dass man schlechte Nachrichten besser von Effie fernhält. Es dauert jedoch nicht lange, bis sie von dem Problem Wind bekommt.
Sie geht den Plan für den Abend durch, dann fegt sie das Blatt beiseite. »Und dann können wir endlich wieder in den Zug und weg von hier«, sagt sie.
»Stimmt irgendwas nicht, Effie?«, fragt Cinna.
»Es gefällt mir nicht, wie wir hier behandelt werden. Wie sie uns in Lastwagen pferchen und von der Bühne drängen. Und dann hab ich mich vor etwa einer Stunde mal im Justizgebäude umgeschaut. Ich verstehe ja eine ganze Menge von Architektur«, sagt sie.
»Ach ja, davon hab ich schon gehört«, sagt Portia, bevor das Schweigen zu lange andauert.
»Also hab ich mich ein bisschen umgeschaut, weil Distriktruinen in diesem Jahr total angesagt sind. Da kamen zwei Friedenswächter und haben mich zurück in unsere Wohnung geschickt. Einer hat mir sogar das Gewehr an die Brust gehalten!«, sagt Effie.
Das nehme ich als unmittelbare Reaktion darauf, dass Haymitch, Peeta und ich uns zuvor aus dem Staub gemacht hatten. Immerhin hat der Gedanke, dass Haymitch recht hatte, etwas Beruhigendes. Dass niemand die verstaubte Kuppel überwachen würde, wo wir miteinander geredet haben. Obwohl sie das ab jetzt ganz bestimmt tun werden.
Effie sieht so bekümmert aus, dass ich sie spontan umarme. »Das ist ja schrecklich, Effie. Vielleicht sollten wir gar nicht zu dem Essen gehen. Wenigstens, bis sie sich entschuldigt haben.« Ich weiß, dass sie nie zustimmen würde, aber bei dem Vorschlag bessert sich ihre Laune erheblich, sie fühlt sich ernst genommen.
»Nein, ich schaff das schon. Mit Höhen und Tiefen fertigzuwerden, gehört zu meinem Job. Und ihr zwei dürft nicht um euer Abendessen kommen. Aber danke für das Angebot, Katniss.«
Effie stellt uns für unseren Auftritt auf. Erst die Vorbereitungsteams, dann sie, die Stylisten und Haymitch. Peeta und ich kommen natürlich zum Schluss.
Irgendwo unten fangen Musiker an zu spielen. Als die Spitze unserer kleinen Prozession die Treppe hinuntergeht, fassen Peeta und ich uns bei den Händen.
»Haymitch sagt, ich hätte dich nicht anbrüllen dürfen. Du hast nur seine Anweisungen befolgt«, sagt Peeta. »Und es ist ja nicht so, als hätte ich in der Vergangenheit nicht auch mal etwas vor dir verborgen.«
Ich erinnere mich an den Schock, als Peeta vor ganz Panem seine Liebe zu mir gestand. Haymitch hatte davon gewusst und mir nichts gesagt. »Ich glaube, nach dem Interview damals hab ich auch das eine oder andere demoliert«, sage ich.
»Nur einen Blumenkübel«, erwidert er.
»Und deine Hände. Aber jetzt haben wir das nicht mehr nötig, oder? Unaufrichtig zueinander zu sein«, sage ich.
»Nein«, sagt Peeta. Wir stehen oben auf der Treppe und lassen Haymitch fünfzehn Stufen Vorsprung, wie Effie gesagt hat. »War es wirklich das einzige Mal, dass du Gale geküsst hast?«
Ich bin so perplex, dass ich ihm antworte. »Ja.« Hat ihn diese Frage tatsächlich gequält, nach all dem, was heute passiert ist?
»Fünfzehn. Los jetzt«, sagt er.
Ein Scheinwerfer trifft uns und ich setze mein breitestes Lächeln auf.
Wir gehen die Treppe hinunter und begeben uns in den Sog aus immer gleichen Abendessen, Festlichkeiten und Zugfahrten. Jeden Tag dasselbe. Aufwachen. Anziehen. Durch jubelnde Menschenmengen fahren. Eine Rede auf uns anhören. Mit einer Dankesrede antworten, aber nur mit der, die das Kapitol vorgegeben hat, keine persönlichen Worte mehr. Manchmal eine kleine Rundfahrt: ein kurzer Blick auf das Meer in dem einen Distrikt, riesige Wälder in einem anderen, hässliche Fabriken, Weizenfelder, stinkende Raffinerien. Abendgarderobe anziehen. Festessen. Zum Zug.
Während der Feierlichkeiten sind wir immer ernst und respektvoll, aber ständig in Kontakt, mit den Händen oder mit den Armen. Beim Abendessen sind wir halb wahnsinnig vor Liebe zueinander. Wir küssen uns, wir tanzen, lassen uns dabei erwischen, wie wir uns zu zweit davonstehlen wollen. Im Zug leiden wir stumm, während wir uns unsere Wirkung ausmalen.
Selbst ohne persönliche Ansprachen, die das Volk aufrühren könnten - überflüssig zu erwähnen, dass unsere Reden in Distrikt 11 vor der Ausstrahlung herausgeschnitten wurden -, ist zu spüren, dass etwas in der Luft liegt, wie das Brodeln in einem
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