Gefaehrliche Liebe
Einzelstunde erzählen, aber es ist niemand da. Vermutlich machen sie sich alle fürs Abendessen zurecht, also beschließe ich, auch zu duschen, denn meine Hände kleben von dem Saft. Unter dem Wasserstrahl überlege ich, ob es klug war, was ich da eben gemacht habe. Mein Handeln sollte jetzt eigentlich immer von der Frage geleitet werden: »Helfe ich damit Peeta, am Leben zu bleiben?« Für diese Aktion trifft das wohl nicht zu, wenn auch indirekt. Was beim Training geschieht, ist streng geheim, und wenn niemand erfährt, was ich angestellt habe, gibt es auch keinen Grund, gegen mich vorzugehen. Letztes Jahr wurde ich für meine Dreistigkeit sogar belohnt. Doch das hier ist eine Art Verbrechen. Wenn die Spielmacher wütend auf mich sind und beschließen, mich in der Arena zu bestrafen, könnte auch Peeta davon betroffen sein. Vielleicht war ich zu impulsiv. Trotzdem ... ich kann nicht behaupten, dass ich es bereue.
Als wir uns alle zum Abendessen versammeln, sehe ich Farbflecken auf Peetas Händen, obwohl seine Haare noch feucht sind vom Duschen. Anscheinend hat er doch irgendeine Tarnung vorgeführt. Als die Suppe serviert wird, spricht Haymitch direkt an, was alle beschäftigt. »Und, wie ist eure Einzelstunde gelaufen?«
Ich tausche einen Blick mit Peeta. Irgendwie bin ich nicht so scharf darauf, das, was ich getan habe, in Worte zu fassen. In der Stille des Speisesaals wirkt es so ungeheuerlich. »Du zuerst«, sage ich. »Das muss ja wirklich was Besonderes gewesen sein. Ich musste vierzig Minuten warten, bis ich reindurfte.«
Peeta wirkt ebenso unwillig wie ich. »Also, ich ... ich hab diese Tarnungsnummer vorgeführt, wie du vorgeschlagen hast, Katniss.« Er zögert. »Tarnung ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich meine, ich hab was mit Farben gemacht.«
»Und was?«, fragt Portia.
Mir fällt wieder ein, wie ungehalten die Spielmacher wirkten, als ich zu meiner Einzelstunde in die Turnhalle kam. Der Geruch nach Putzmittel. Die Matte über dem Fleck in der Mitte der Turnhalle. Wollten sie damit etwas verdecken, was sich nicht entfernen ließ? »Du hast was gemalt, oder? Ein Bild.«
»Hast du es gesehen?«, fragt Peeta.
»Nein. Aber sie haben sich große Mühe gegeben, es zu verdecken«, sage ich.
»Das ist ja nichts Besonderes. Kein Tribut darf erfahren, was die anderen gemacht haben«, sagt Effie unbeeindruckt. »Was hast du gemalt, Peeta?« Ihr Blick wird weich. »Ein Bild von Katniss?«
»Wieso sollte er ein Bild von mir malen, Effie?«, frage ich leicht verärgert.
»Um zu zeigen, dass er alles Menschenmögliche tun wird, um dich zu beschützen. Das erwarten sowieso alle im Kapitol. Hat er sich nicht freiwillig gemeldet, um mit dir in die Arena zu gehen?«, sagt Effie, als wäre es das Offensichtlichste auf der Welt.
»Ich habe aber ein Bild von Rue gemalt«, sagt Peeta. »Wie sie aussah, als Katniss sie mit Blumen bedeckt hatte.«
Am Tisch bleibt es lange still, während alle die Worte verdauen.
»Und was genau wolltest du damit bezwecken?«, fragt Haymitch, der sich nur mit Mühe beherrschen kann.
»Ich weiß nicht recht. Ich wollte sie zur Verantwortung ziehen, und sei es nur für einen Augenblick«, sagt Peeta. »Dafür, dass sie das kleine Mädchen ermordet haben.«
»Das ist entsetzlich.« Effie hört sich so an, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »So zu denken ... das ist verboten, Peeta. Absolut. Damit bringst du dich und Katniss nur in Schwierigkeiten.«
»Da muss ich Effie zustimmen«, sagt Haymitch. Portia und Cinna schweigen, aber ihre Gesichter sind todernst. Natürlich haben sie recht. Doch obwohl es mich mit Sorge erfüllt - ich finde das, was Peeta getan hat, bewundernswert.
»Wahrscheinlich ist das jetzt kein guter Moment zu erwähnen, dass ich eine Puppe erhängt und den Namen Seneca Cranes daraufgeschrieben habe«, sage ich. Meine Worte haben den gewünschten Effekt. Nach einem Augenblick der Fassungslosigkeit trifft mich das gesammelte Missfallen im Raum wie ein Hammer.
»Du ... hast ... Seneca Crane erhängt?«, sagt Cinna.
»Ja. Ich hab meine neuen Knotentechniken vorgeführt und irgendwie ist er in die Schlinge geraten«, sage ich.
»Oh, Katniss«, sagt Effie gedämpft. »Woher weißt du überhaupt davon?«
»Ist das ein Geheimnis? Präsident Snow hat nicht so getan, als ob es eins wäre. Er schien sogar ganz wild darauf zu sein, dass ich davon erfahre«, sage ich. Effie steht vom Tisch auf und rennt hinaus, eine Serviette vors Gesicht gepresst.
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