Gefaehrliche Liebe
Jana?« Santiago drehte sich zu mir und sprach mit eigenartig melancholischer Stimme: »Kannst du dir vorstellen, mich auch mal irgendwann so sehr zu vermissen wie Jana? Mir fällt auf, selbst David hat mich mehr vermisst als du.«
»Das ist nicht wahr!«, verteidigte ich mich. Wie konnte er so etwas nur sagen?
David half Jana vom Boden und verließ mit ihr die Terrasse.
»Komm!« Santiago streckte seine Hand nach mir aus und zog eine Augenbraue hoch.
Im Fahrstuhl lehnte er mir gegenüber an der metallischen Wand und sah mich übertrieben ernst an. Ich fragte mich, warum ich jetzt plötzlich ein neues Zimmer bekommen sollte ...
Ein kleines Lächeln huschte über Santiagos Lippen und er versuchte es sofort mit einem nach unten gezogenen Mundwinkel aufzufangen. Ich konnte seine Miene nicht deuten ... War er stolz auf mich? War er stolz, weil ich nicht fragte, woher die anderen Mädchen kamen? Stolz, weil ich ihn auch jetzt noch unbeirrt mit meinen Augen anbetete, bis mir Tränen die Sicht verschleierten? Oder stolz, weil ich das Zeichen seiner Liebe so tapfer in Empfang genommen hatte ... und selbst dann nichts gesagt hatte, als ich feststellen musste, dass es bereits fünf andere Mädchen gab, deren Körper es zierte? War er dankbar für meine Hingabe? Wusste er meine bedingungslose Liebe zu schätzen? Liebte er mich?
Mein Hals schmerzte. Ich drehte mich zur Seite und betrachtete das Brandmal im Spiegel. Der ungewohnte Anblick bereitete mir Herzklopfen. Von jetzt an würde jeder sehen, dass ich ihm gehörte ... Santiago! Und ich selbst konnte es nicht nur sehen, ich konnte es auch fühlen ... denn die Brandwunde machte bereits unverkennbare Anzeichen wieder aufzutauen.
»Ich glaube, ich brauch noch mal die Brandsalbe ...«, bat ich ihn, und hoffte inständig, er würde mir diesen einen Wunsch nicht verwehren.
Santiago nickte nur, was auch immer das zu bedeuten hatte.
Ich fühlte mich zappelig und seufzte. Doch kurz darauf öffnete sich die Aufzugstür ... und in der Sekunde hatte ich all meine Schmerzen vergessen. Erschrocken schnappte ich nach Luft und mein Herz blieb fast stehen. Jetzt war ich endgültig im falschen Film angelangt. Eine völlig fremde finstere Kulisse lag vor mir! Ein breiter Gang, der vom Lift weg in die Dunkelheit führte ... Alles glänzte schwarz ... Die Pflastersteine auf dem Boden, die Ziegel an den Wänden und die Gewölbe an der Decke. Nur vereinzelt gab es Nischen, in denen rot flackerndes Kerzenlicht simuliert wurde. Ich hörte leise Wasser plätschern ... wie in einer Tropfsteinhöhle. Und an den Seiten reihten sich dunkle Eisentüren aneinander, die mir ungeheure Furcht einflößten.
Mit zittrigen Händen hielt ich mich an der Rückwand des Aufzugs fest und blickte zu Santiago. Der hatte prüfend mein Gesicht im Visier, um die Angst darin zu ermessen, und belächelte selbstzufrieden meine Reaktion.
»Was ist das?«, hauchte ich erschüttert.
Er schmunzelte. »Der Keller.«
Keller? ... Eine bescheidene Beschreibung für das, was hier so bedrohlich auf mich wirkte. Ich hatte nie mitgekriegt, wie weit dieser Lift nach unten führte! Gab es überhaupt eine Treppe? Einen Fluchtweg? Und vor allem ... Was machten wir hier? Plötzlich war meine Kehle wie zugeschnürt und ich schluckte hart.
Santiagos Augen funkelten mich an. Er nahm meine Sprachlosigkeit wohlwollend zur Kenntnis und riss das Wort wieder an sich. Selbstherrlich begann er zu sinnieren ...
»Hier verwahre ich meine wertvollsten Schätze! Unerreichte Schönheit ... Zerbrechlichkeit ... Sanftmut ... Leben, das mich anbetet ... und das beschützt werden muss ... vor der grausamen Außenwelt ... Mein Eigentum!«
Seine Blicke waren lüstern, als würde jedes einzelne dieser Attribute mir gelten. Ich fühlte mich nackt, und hilflos, fühlte innerlich zu erfrieren.
Meine Stimme zitterte: »Bitte ... das macht mir Angst.«
Santiago lächelte. »Ja ... ich weiß.«
KopfSteinPflaster
Das Blut wich aus meinem Gesicht. Eisige Schauer liefen über meinen Rücken. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich selbst aus der Starre zu erwecken. Dann wischte ich die Tränen von meinen Wangen und sah fassungslos hinaus in die Dunkelheit. Ungläubig drehte sich mein Kopf hin und her, zwischen Santiago und dieser fremden Kulisse.
Er stieg zuerst aus dem Lift ... lächelte ... und vollzog eine weitläufige Handbewegung, als wollte er mir sein Paradies offenbaren.
Ich schüttelte ängstlich den Kopf. Hier wollte
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