Gefaehrliche Maskerade einer Lady
nahm.
Die angenehmen Spaziergänge auf dem menschenleeren Deck und die beschaulichen Sonnenuntergänge würden ihr fehlen. Auch die behaglichen Nachmittage am Kartentisch, die angeregten Plaudereien und die geruhsamen Stunden, in denen jeder von ihnen in die Lektüre eines Buches vertieft war, hatte sie sehr genossen. Am schmerzlichsten aber würde sie die süßen Liebesnächte mit Rafe vermissen.
Doch schon bald würden sie England erreichen und heiraten und den Rest ihres Lebens miteinander verbringen. Es würde alles gut werden, wenn sie erst einmal in England waren.
Die Flavia glitt langsam mit gerafften Segeln in den Hafen von Portsmouth ein. Das Geläut der Schiffsglocke begleitete ihre Fahrt. Ein Lotse war an Bord gekommen und hatte das Steuer übernommen, um den Segler durch den dichten Nebel zu geleiten. Ayisha konnte die vor Anker liegenden Schiffe durch die umherwabernden silbrigen Schwaden nur schemenhaft erkennen.
Die Mannschaft hatte Aufstellung genommen, um die Passagiere salutierend zu verabschieden.
„Es ist jammerschade, dass ich dir kein besseres Wetter zur Begrüßung in England bieten kann“, sagte Rafe, während er ihr in die Jolle half.
„Aber dieser Nebel ist doch wunderschön“, entgegnete Ayisha fröhlich. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Es fühlt sich köstlich erfrischend auf der Haut an.“ Sie hob ihr Gesicht in die feuchte Luft und atmete tief ein.
„Findest du etwa den Geruch auch köstlich?“, fragte Rafe zweifelnd. Sie lachte. Im Hafen roch es nach Fisch, Seetang und Schlamm. „Es ist seltsam, dass es hier stärker nach Fisch und Meer riecht als auf offener See.“
Zwei Matrosen ruderten sie an den Landungssteg. Seevögel kreischten aus dem dichten Nebel, ihre klagenden Schreie wurden wie durch Watte gedämpft. „Die Geräusche hallen hier irgendwie geheimnisvoll“, sagte Ayisha nachdenklich. „Sie klingen, als kämen sie aus einer anderen Welt.“
„Diese Nebelsuppe ist verdammt lästig. Sei vorsichtig“, sagte er und half ihr beim Aussteigen. „Die Planken sind nass und glitschig.“ Im Eiltempo geleitete er sie in die Stadt, doch er ließ ihr keine Zeit, einen kleinen Bummel durch Portsmouth zu machen. Kaum hatte sie sich daran gewöhnt, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, da saß sie auch schon wieder in einer Kutsche, die er gelber Hopser nannte, und verließ die Stadt.
Rafe hatte binnen Kurzem eine Kutsche samt Fahrer gemietet, englisches Geld bei der Bank geholt sowie Higgins losgeschickt, um seine Karosse bei Harry abzuholen und nach Cleeveden zu bringen.
Die einzige Verzögerung trat ein, als er bemerkte, wie Ayisha in ihrem dünnen Baumwollkleid vor Kälte schlotterte. In Windeseile zog er sie in ein Modegeschäft, das sie nach zehn Minuten wieder verließen. Nun trug Ayisha einen weichen rosefarbenen Wollumhang, der mit grüner Seide gefüttert und dessen weite Kapuze mit weißen Schwanendaunen verbrämt war. Rafe hatte auch an einen passenden Muff aus Schwanendaunen gedacht. Ayisha war entzückt.
„Deine Großmutter wird begeistert sein, dich mit der passenden Garderobe für unser Klima auszustatten“, sagte er, während er ihr in die Droschke half.
Ayisha nickte. Sie hätte gerne länger in dem Modegeschäft verweilt, wo sie so viele hübsche Sachen gesehen hatte. Sie wunderte sich über seine Hast.
„Gibt es einen bestimmten Grund für deine Eile?“, fragte sie während der Fahrt. Die Seereise hatte über vier Wochen gedauert, und niemand würde ihre Ankunft erwarten.
„Ich möchte noch heute Abend Winchester erreichen. Wenn dieser Nebel landeinwärts zieht, wird es knapp. Dann müssen wir wesentlich langsamer fahren.“
„Was ist denn in Winchester?“
Er sah sie lange an. „Ein sehr gutes Gasthaus.“
Ein sehr gutes Gasthaus. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, und sie spürte, wie ihre Wangen erröteten. Sie hatte ihm gefehlt, und das zu wissen, machte sie glücklich. Auch sie hatte ihn in den vergangenen Wochen vermisst. Sie sehnte sich danach, eng umschlungen mit ihm einzuschlafen, den Duft seiner Haut zu riechen und die Wärme seines kraftvollen Körpers zu spüren. Sie freute sich darauf, morgens von ihm mit einem Kuss geweckt zu werden, dem zärtliche Liebesspiele folgten.
Ayisha begriff, warum Laila die Ehe so sehr vermisst hatte. In den vergangenen mehr als zwei Wochen an Bord des Schiffes hatte sich Ayisha nachts rastlos auf ihrer schmalen Koje über Mrs Ferris hin und her geworfen. Ihr Körper
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