Gefaehrliche Maskerade einer Lady
warum warst du dann nie mehr dort?“
Er zuckte mit den Schultern. „Kein Interesse.“
„Und wer wohnt jetzt dort?“
„Niemand.“
„Du hast es nicht vermietet?“
Er sah sie kühl an. „Nein, wieso sollte ich?“
„Wieso nicht?“ Ayisha fand es verwunderlich, ein Haus zu besitzen, das man nie besuchte und nicht bewohnte. Für sie war es die reinste Verschwendung! Aber das ging sie nichts an. „Werden wir dort leben, wenn wir verheiratet sind?“
„Nein, wir werden in meinem Londoner Haus wohnen“, antwortete er knapp.
Sie nickte ein wenig enttäuscht. Sie hätte sich so gut vorstellen können, in einem Haus mitten in einer üppig grünen Landschaft zu leben. Wenn er Foxcotte nicht mochte, war das seine Entscheidung, die ihr allerdings höchst seltsam erschien. Sie hatte den Eindruck gewonnen, er sei glücklich bei seiner Großmutter gewesen. Dass er seit so vielen Jahren nicht mehr dort gewesen war, erschien ihr befremdlich.
„Bald erreichen wir Penton Mewsey“, erklärte er. „Cleeveden liegt gleich dahinter.“
„Die beiden Häuser liegen nicht weit voneinander entfernt“, sagte Ayisha, nur um ihre Unruhe zu überspielen, die wie tausend Schmetterlinge in ihrer Magengrube flatterte. „Cleeveden und Foxcotte, meine ich.“
„Ja, es sind nur fünf Meilen. Deshalb sind deine und meine Großmutter ja auch schon als kleine Mädchen Freundinnen geworden.“ Die Droschke fuhr nun langsamer. Der Kutscher drehte sich über die Schulter zu Rafe, der ihm zunickte. Der Wagen bog in eine Toreinfahrt und fuhr eine breite Kiesauffahrt entlang.
„Willkommen in Cleeveden“, sagte Rafe. „Dem Landsitz deiner Familie.“
19. Kapitel
Das Herrenhaus mit seinem prachtvollen, von zwölf dorischen Säulen getragenen Vorbau thronte auf einer sanften Anhöhe, die von einer ausgedehnten Parkanlage umgeben war. Es wirkte auf Ayisha wie ein Märchenschloss, und nicht wie ein Haus, in dem Menschen wohnten.
„Das Haus ist noch relativ neu“, erklärte Rafe. „Den alten Kasten aus dem Mittelalter hat Lady Cleeve abreißen lassen, als die Familie aus Indien zurückkehrte. Nur der alte Baumbestand ist erhalten geblieben, obwohl auch der Park umgestaltet wurde.“
Ayisha hörte kaum, was er sagte, so überwältigend war der Anblick des stattlichen Anwesens. Sie hatte sich vorgestellt, ihre Großmutter wohne in einem dieser hübschen kleinen Cottages, an denen sie unterwegs vorbeigefahren waren und nicht in einem so riesigen Haus aus Stein. Mit zitternden Händen setzte sie Cleo in den Reisekorb.
„Sieht mein Haar auch ordentlich aus?“, fragte sie und fuhr sich mit den Fingern durch ihre kurzen Locken. „Sie wird mich für einen unzivilisierten Jungen halten. Ich wünschte, mein Haar wäre schneller gewachsen.“ Sie strich sich über den Rock, versuchte die Knitterfalten von der Reise zu glätten.
„Sei unbesorgt, du bist wunderschön“, versuchte Rafe sie zu beruhigen. Er hauchte einen Kuss auf ihre Wange. „Deine Großmutter wird dich an ihr Herz drücken.“
Rafe hatte noch am Abend einen Boten mit einer Nachricht zu Lady Cleeve geschickt, damit sich die alte Dame auf den glücklichen Moment vorbereiten konnte, ihre lang ersehnte Enkelin endlich in die Arme zu schließen.
Die Kutsche hielt vor den Steinstufen des imposanten Portals. Rafe stieg aus und reichte Ayisha seinen Arm. Sie griff danach und atmete tief durch, bevor sie mit ihrem künftigen Gatten die Stufen zum Herrenhaus erklomm. Oben angekommen bediente sie den mächtigen Türklopfer aus Messing und wartete befangen.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis das Portal von einem Diener geöffnet
wurde, der die Besucher ohne jede Regung musterte. Dann richtete er das Wort an Rafe. „Guten Morgen, Mr Ramsey, Miss. Bitte treten Sie ein. Lady Cleeve hat ihre Nachricht gestern noch erhalten, Sir, und erwartet Sie.“
Ayisha drückte Rafes Arm fester. Sie fühlte sich wie in einem heiligen Tempel. Der Boden der riesigen Eingangshalle war mit schwarzen und weißen Marmorplatten belegt und in Nischen standen römische Statuen. Eine breite geschwungene Marmortreppe führte nach oben. Eine Glaskuppel auf dem Dach spendete diffuses Tageslicht.
„Der Kutscher und die Pferde müssen versorgt werden. Und wir haben Gepäck“, sagte Rafe. Auf einen Wink des Butlers eilten zwei Diener herbei, um sich darum zu kümmern.
„Wenn Sie bitte dem Mädchen folgen wollen, Miss“, richtete der Butler das Wort an Ayisha und wies auf eine junge Frau in weißer
Weitere Kostenlose Bücher