Gefaehrliche Maskerade einer Lady
Schürze und mit Häubchen auf dem Kopf. „Lady Cleeve gab Anweisung, dass Ihnen aufgewartet wird. Zweifellos wollen Sie sich erfrischen und einen Imbiss zu sich nehmen“, sagte der Butler mit unbewegter Miene.
„Danke, aber“, begann Ayisha. Sie brauchte keine Erfrischung und würde vor Aufregung keinen Bissen hinunterbringen.
Doch der Butler fuhr unbeirrt fort: „Lady Cleeve wünscht zunächst allein mit Mr Ramsey zu sprechen.“
Ayisha sah Rafe ängstlich an. So hatte sie sich den Empfang nicht vorgestellt. Sie war enttäuscht und verletzt über die kühle Distanz. Wäre sie Lady Cleeve, würde sie ihrer lang ersehnten Enkelin in der Halle entgegeneilen. Ganz gewiss würde sie jetzt kein Gespräch allein mit Mr Ramsey wünschen.
„Miss Cleeve und ich werden Lady Cleeve gemeinsam begrüßen“, erklärte Rafe entschieden.
„Mylady besteht darauf“, entgegnete der Butler kühl.
„Ich sagte, wir werden beide ...“
„Das ist sehr rücksichtsvoll“, fiel Ayisha ihm hastig ins Wort, da sie befürchtete, er würde eine Szene machen. „Geh nur, Rafe. Ich möchte mich ein wenig frisch machen und komme nach.“ Sie brauchte Zeit zum Nachdenken.
„Dann warte ich auf dich“, beharrte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nein, geh bitte. Lass meine, lass Lady Cleeve nicht warten.“ Rafe sah sie fragend an. „Bist du sicher?“
„Ja, absolut.“ Ayisha fühlte sich alles andere als sicher.
„Lady Cleeve erwartet Sie im Blauen Salon“, sagte der Butler. „Ich melde Sie.“
Rafe folgte ihm zögernd. Das Dienstmädchen führte Ayisha einen schmalen Flur entlang und wies auf eine Tür.
„Hier ist eine Toilette, Miss“, erklärte das Mädchen, „und warmes Wasser. Hinterher soll ich Sie in die Küche bringen, dort wartet Tee und ein Imbiss auf Sie.“ Sie warf Ayisha einen verlegenen Blick zu.
Ayisha ahnte den Grund. Ein willkommener Gast wurde nicht in der Küche empfangen. Es war eine Kränkung, und das wusste das Mädchen.
„Wo befindet sich die Küche?“, fragte Ayisha sachlich. Sie war fest entschlossen, sich ihr Befremden nicht anmerken zu lassen. Sie hatte nicht darum gebeten, hierherzukommen. Sie war auf Lady Cleeves ausdrücklichen Wunsch zu ihr gebracht worden. Auf keinen Fall würde sie in der Küche Tee trinken.
Das Mädchen wies in den Flur. „Hier entlang und durch die grüne Schwingtür.“
Ayisha entdeckte mehrere Türen. „Führt eine dieser Türen ins Freie? Ich habe meine Katze bei mir. Sie braucht etwas Auslauf.“ „Soll ich die Katze für Sie in den Garten bringen, Miss?“
„Nein, danke, die Fahrt hat sie ziemlich aufgeregt. Ich bringe sie selbst.“
„Wie Sie wünschen, Miss. Wenn Sie am Ende des Flurs nach links gehen, erreichen Sie den Hinterausgang, der nur vom Personal benutzt wird, aber“, sie stockte unsicher.
„Vielen Dank“, sagte Ayisha. „Sie müssen nicht auf mich warten, ich komme in die Küche, sobald ich fertig bin.“
Das Mädchen nickte und verschwand durch die grüne Schwingtür. Ayisha war verwirrt und beklommen. Wieso verhielt Lady Cleeve sich so abweisend? Sie wusste doch noch gar nicht, dass sie nicht Alicia war.
Sie straffte die Schultern. Wenn ihre Großmutter ihre Meinung geändert hatte, würde die Welt nicht untergehen. Selbst als hungerndes Straßenkind in Kairo war sie niemals so tief gesunken, dass sie um etwas gebettelt hätte. Sie würde auch jetzt nicht um einen Funken Zuneigung bitten.
Kurz darauf erschien der Butler aus dem Salon und verschwand durch die grüne Schwingtür in den Küchentrakt. Ayisha schlich auf Zehenspitzen in die Halle zurück und lauschte an der Tür zum Salon.
„Und als ich herausfand, dass dieses Mädchen auf der Zeichnung nicht Alicia war, sondern Henrys Bastard, tja, da war es leider schon zu spät, Sie zu benachrichtigen. Sie hatten sich bereits nach Ägypten eingeschifft.“
Ayisha erstarrte. Wie war es möglich, dass Lady Cleeve davon erfahren hatte?
„Dennoch ist sie Ihre einzig lebende Enkelin“, entgegnete Rafe gereizt. „Die Umstände ihrer Geburt kann man ihr doch nicht vorwerfen.“
„Sie ist eine Opportunistin, die nur auf ihren Vorteil bedacht ist.“ Ihre Großmutter klang hart und unbeugsam.
„Völliger Unsinn! Guter Gott, Madam, ich musste sie förmlich zwingen, mich nach England zu begleiten.“
Ayisha biss sich auf die Unterlippe.
„Wie bedauerlich.“
„Wie dem auch sei, selbst wenn sie sich hier ein besseres Leben wünscht, was wäre daran
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