Gefaehrliche Maskerade einer Lady
hatte sich so schmerzlich nach Rafe gesehnt. Ein Gedanke an ihn genügte, und ihr Blut geriet in Wallung. Stundenlang kämpfte sie gegen die Versuchung, sich heimlich zu ihm zu schleichen.
Und nun hatte er ihr mit einem Blick und wenigen Worten zu verstehen gegeben, dass es ihm nicht anders ergangen war. Er hatte sie vermisst.
Die Kutsche holperte durch ein Schlagloch, Ayisha wurde hochgeschleudert und wäre beinahe vom Sitz gerutscht. Rafe zog sie rasch an sich.
„Deshalb nennt man diese Droschken gelbe Hopser“, erklärte er ihr. „Ich hätte gerne eine bequemere Kutsche gemietet, doch ich konnte keine andere auftreiben.“
„Mich stört das Ruckeln nicht, außerdem gefällt mir das große Fenster.“ Sie wies auf die breite Glasscheibe vorne im Wagen. „So kann ich die schöne Aussicht genießen.“
„Welche schöne Aussicht meinst du? Ich sehe nur Wiesen und Felder.“
Sie lachte. „Es sind englische Wiesen und Felder, gesäumt von Hecken und kleinen Mauern. Alles ist so viel üppiger, als ich es mir ausgemalt habe. Wie mag das Land erst im Frühling aussehen, wenn alles blüht? Und die Dörfer sind so sauber und hübsch. Sieh nur das Haus da drüben mit der niedlichen schwarzen Perücke.“
Rafe zuckte mit dem Mundwinkel. „Das ist ein Reetdach.“
„Es sieht aber aus wie eine Perücke. Alles ist so faszinierend.“ „Mich fasziniert mehr, was ich hier in der Kutsche sehe“, sagte er und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Sie fuhren durch ein Dorf und die Leute auf dem Weg spähten neugierig ins Wageninnere. „Man hat auch nirgendwo etwas Privatsphäre“, knurrte er und richtete sich auf, ohne den Arm von ihrer Schulter zu nehmen. Seine Fürsorge wärmte ihr Herz beinahe so sehr wie seine Nähe. Sie kuschelte sich wohlig an ihn.
Ayisha konnte sich nicht sattsehen an den sanft wogenden grünen Hügeln, die von lichten Wäldern unterbrochen wurden. Sie dankte ihrem Schicksal im Stillen, das ihr diesen Mann geschenkt hatte, der sie begehrte und nach dem sie sich verzehrte. Sie zählte die Stunden bis Winchester.
Etwa zwanzig Meilen vor Winchester jedoch brach eine der Achsen an der Kutsche. Es ruckte, bevor Ayisha ein fürchterliches Krachen und Knarren hört. Die Fahrgäste waren gezwungen, in einem kleinen einfachen Gasthof an der Straße zu übernachten. Dort gab es keine Gästezimmer, nur je einen mit mehreren Pritschen für Männer und für die Frauen.
Die Achse wurde über Nacht repariert, und so konnten Ayisha und Rafe zeitig am nächsten Morgen Weiterreisen. Der Tag war kühl und regnerisch. Rafe blickte verdrossen und schweigsam aus dem Fenster. Offensichtlich war er verärgert, dass seine Pläne für die vergangene Nacht durchkreuzt worden waren. Ayisha streichelte zerstreut die kleine Katze auf ihrem Schoß. Auch sie bedauerte die verpasste Gelegenheit, doch ihre Trauer wurde von der wachsenden Nervosität überschattet. Bald schon sollte sie ihre Großmutter sehen.
Sie hatte beschlossen, Lady Cleeve nicht sofort die Wahrheit zu sagen. Sie wollte nur einen unbeschwerten Tag als Enkeltochter genießen.
Rafe war zuversichtlich, dass ihre Großmutter den Umständen ihrer Geburt keine Bedeutung beimessen würde, wie er immer wieder betonte. Er war davon überzeugt, dass Lady Cleeve die verschollene Enkelin mit offenen Armen empfangen werde. Ayisha hoffte inständig, dass er recht behalten würde.
Er ruhte so fest in sich und war so voller Selbstvertrauen, dass er vermutlich nicht einmal nachvollziehen konnte, wie unendlich wichtig es für Ayisha war, von ihrer Großmutter herzlich aufgenommen zu werden. Sie sehnte sich so sehr nach einer Familie. Wie oft hatte sie schon als Kind davon geträumt, einmal in dieses schöne Land zu reisen? Doch jetzt wirkte alles so fremd und unwirklich auf sie. Sie war in einem glutheißen, staubigen Land aufgewachsen, in dem die Sonne fast alles verbrannte.
Am späten Vormittag erreichten sie die kleine Stadt Andover, wo sie eine kurze Rast einlegten, um die Pferde zu wechseln und eine Erfrischung zu sich zu nehmen.
Kurz hinter Andover erspähte Ayisha im Vorbeifahren einen Wegweiser. „Foxcotte!“, rief sie.
„Wie bitte?“
„Da war ein Schild nach Foxcotte. Hast du nicht gesagt, dass du dort gelebt hast?“
„Ja, im Haus meiner Großmutter. Das Dorf Foxcotte liegt ganz in der Nähe“, antwortete er gelangweilt. „Ich war nicht mehr dort, seitdem ich ein Junge war.“
„Hast du nicht gesagt, dass es dir gehört?“
„Ja.“
„Und
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