Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
allgemeinen so sehr, daß es einem Angst machen konnte –, entschied sich immer für die Sicherheit, den sicheren Job, die sichere Pension, die sichere Art zu leben. Sie mochte das Abenteuer lieben, aber sie war nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Besser, man saß in seinem klimatisierten Studio in Westchester und las ›Kon-Tiki‹. Jerry bekam ein Abenteuer und dazu Bezahlung nach Tarif. Das mochte nicht das beste Training für einen jungen Mann sein, aber wenn man es sich genau überlegte, dann war es für einen Psychoanalytiker auch nicht gerade das beste Training, Leichen auf seiner Couch zu finden.
    So oder so gab es für Jerry aber vor Montag nichts zu tun. Er versprach, am späten Nachmittag zu kommen und sich einweisen zu lassen, und hoffte, sich bis dahin vom Gefriergut befreit zu haben und, falls nötig, eine plausible Geschichte zu erfinden. Jerrys Abgang wurde durch das Telefon beschleunigt. Der Anruf kam von Reed. Nein, er habe keine Neuigkeiten, dafür aber einen Abzug von dem Foto. Zwei Abzüge? Ja, sie könne auch zwei Abzüge haben. Er würde sie am Abend vorbeibringen, einverstanden? Wie wäre es mit einem Kinobesuch, um auf andere Gedanken zu kommen? Danny Kaye? Ohne Begeisterung stimmte Kate zu.
    Nach dem Film gingen Reed und Kate essen. Kate holte das Bild von dem jungen Mann aus ihrer Handtasche. Sie hatte sich das Gesicht so lange und fest angesehen, als könnte sie das Bild zum Reden bringen. »Die Frage ist«, sagte sie, »ist das der junge Mann, mit dem sie ihre Liebesaffäre hatte?« Sie erzählte Reed von ihrem Gespräch mit Emanuel. »Wie alt würdest du diesen jungen Mann schätzen?« fragte Kate.
    »Dreißig, vielleicht fünfundzwanzig. Er sieht sehr jung aus, und gleichzeitig sieht er wie jemand aus, der jung für sein Alter aussieht, wenn du mir folgen kannst.«
    »Ich kann dir folgen. Er erinnert mich dauernd an jemanden.«
    »Wahrscheinlich an ihn selbst, so, wie du das Foto anstarrst.«
    »Da hast du zweifellos recht.« Kate steckte den jungen Mann entschlossen weg.
    »Ein gewissenhafter junger Kriminalbeamter ist mit dem Bild durch das ganze Wohnheim marschiert«, sagte Reed. »Er ist ein sehr attraktiver junger Mann, und die Mädchen und Frauen waren entzückt, mit ihm über Gott und die Welt schwatzen zu können. Sie hätten ihm sicher nur allzu gern erzählt, daß sie diesen jungen Mann auf dem Bild jeden Tag gesehen haben, nur um den jungen Detektiv glücklich zu machen, aber die Wahrheit ist leider, daß niemand seiner dort jemals ansichtig geworden ist. Eine ältere Studentin glaubte, ihn zu erkennen, aber dann stellte sich heraus, daß sie an Cary Grant in seinen jüngeren Jahren dachte. Wenn dieser junge Mann – oder sein Bild – jemals die Runde durch das Wohnheim gemacht hat, dann ist es ihm gelungen, von niemandem gesehen zu werden, einschließlich des Hauspersonals, das übrigens auch befragt wurde. Verstehst du, Kate, er war wahrscheinlich ein ganz gewöhnlicher junger Mann, der ihr den Laufpaß gegeben hat, oder, um es weniger zynisch zu sehen, der in einem Krieg oder bei einem Unfall den Tod gefunden und sie auf ewig einsam zurückgelassen hat.«
    »Er sieht nicht so gut aus wie Cary Grant. Er sieht gar nicht wie ein Filmschauspieler aus.«
    »Kate, langsam fange ich an, mir Sorgen um dich zu machen. Bist du… bedeutet dir dieser Mann, dieser Emanuel Bauer, so viel?«
    »Reed, wenn ich es nicht schaffe, daß du diese Geschichte verstehst, wie soll dann jemals die Polizei Emanuel verstehen? Er ist der letzte Ehemann auf der Welt, der sich mit einer anderen Frau einließe, schon gar nicht mit einer Patientin. Aber selbst wenn das alles möglich wäre, was ich nicht eine Minute lang annehme, begreifst du denn nicht, daß diese Praxis, diese Couch – daß die seinen Beruf bedeuten? Verstehst du nicht, daß kein wahrer Psychoanalytiker mit Emanuels Ausbildung während seiner Ordinationsstunden von irgendeiner verrückten Leidenschaft überwältigt werden könnte? Selbst wenn ich zugäbe (was ich nicht tue), daß er wie jeder Mensch ein Verbrechen begehen könnte, als Psychiater könnte er es nicht.«
    »Sind Psychiater um so vieles rechtschaffener als andere Leute?«
    »Nein, natürlich nicht. Von vielen Psychiatern weiß ich, daß sie der Abschaum der Menschheit sind. Sie reden auf Parties über ihre Patienten. Sie werden reich und prahlen mit den Honoraren, die sie kassieren; sie nehmen 150 Dollar für eine Unterschrift unter ein Stück Papier, das einen

Weitere Kostenlose Bücher