Gefährliche Praxis
Patienten aus irgendeiner Klinik entläßt. Die Unterschrift bedeutet, daß der Patient sich nun unter ihrer Obhut befindet, aber sie unterschreiben nur und werden dafür bezahlt, und damit ist für sie der Fall erledigt. Schon eine Unterschrift pro Tag bringt ein schönes Jahreseinkommen. Es gibt Psychiater, die laden Ärzte ein und bewirten sie, damit diese Arzte ihnen Patienten überweisen. Natürlich alles auf Spesen. Aber Emanuel und andere, die ihm ähnlich sind, lieben ihre Arbeit, und wenn du mein Rezept für Rechtschaffenheit wissen willst, dann finde den Mann, der seine Arbeit liebt und die Sache, der er dabei dient. Klingt ziemlich pompös, wie?«
»Was ist denn das für eine Sache? Daß er Leuten hilft?«
»So seltsam es klingt, nein. Ich glaube nicht – jedenfalls bei Emanuel. Er möchte herausbekommen, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht. Würdest du ihn fragen, dann bekämst du wahrscheinlich die Auskunft, daß die Analyse für die Forschung von größter Bedeutung ist, die Therapie dagegen mehr oder weniger ein Nebenprodukt. Was würde man im Büro des Staatsanwalts mit einer solchen Auskunft anfangen?«
»Kate, verzeih mir, aber ihr wart einmal ein Liebespaar. Das ergab sich jedenfalls aus der Aussage der Frau, wenn sie es auch von sich aus nicht zur Sprache gebracht hat. Ich nehme an, die Kriminalbeamten haben einfach überall nach Motiven gesucht.«
»Dann müßte Nicola doch mich ermordet haben oder ich sie. Nur ist das lange, lange her und die Leidenschaften seitdem sehr abgekühlt.«
»Wo habt ihr euch getroffen, Emanuel und du, damals, als die Glut noch heißer war?«
»Ich hatte auch damals schon eine Wohnung. Versuchst du, aus mir ein Flittchen zu machen? Reed, warum vergesse ich immer wieder, daß du Polizist bist?«
»Weil ich keiner bin. Im Augenblick bin ich Vertreter der Anklage. Hatte Emanuel damals auch schon eine Praxis?«
»Er teilte sich eine kleine mit einem anderen Analytiker.«
»Hast du ihn dort jemals getroffen?«
»Ja, ich nehme an, ein- oder zweimal.«
»Wart ihr jemals – ich meine, zusammen – auf der Couch?«
»Reed, ich habe dich unterschätzt. Du gibst einen exzellenten und absolut diabolischen Staatsanwalt ab, der einem nicht nur Halbwahrheiten entlockt, sondern es auch noch fertigbringt, sie zu verdrehen und damit der Wahrheit aus dem Wege zu gehen. Im Zeugenstand könnte ich das natürlich nicht erklären. Die Wahrheit ist trotzdem, daß Emanuel damals gerade in seinem Beruf angefangen hatte. Er machte Therapie, benutzte also die Couch nicht, die zur Ausstattung gehörte als Mobiliar zum zukünftigen Gebrauch, wahrscheinlich. Und ich war nie während der Praxisstunden dort.«
»Meine liebe Kate, ich will dir nur zeigen, auf was du dich da einläßt. Du stürzt dich auf diesen Fall, ohne zu wissen, was da auf dich wartet. Ich weiß, der Naive begibt sich in Gefahren, die selbst Engel vorsichtig werden lassen. Aber ich habe nie herausbekommen, was ein Naiver je erreicht hat. Nein, ich bezeichne dich nicht als Dummkopf. Ich versuche dir nur zu erklären, daß du dir – weiß Gott tapfer – vorgenommen hast, Emanuel zu retten, und es könnte damit enden, daß du einigen Dreck aufwirbelst und dich dabei selber ruinierst. Und wenn zwischen euch nichts mehr ist, wie es in diesen schrecklichen Magazinen immer heißt, warum tust du es dann? Aus uneigennütziger Liebe zur Wahrheit?«
»Ich bin nicht bereit zuzugestehen, daß das ein schlechtes Motiv wäre. Ich bin zu alt, um schockiert zu sein von der Tatsache, daß jedermann käuflich und Korruption die einzige Lebensform ist. In jeder Rede bei jeder Schlußfeier, und ich habe viele gehört, wird über die Bestechlichkeit der Welt gejammert. Ich weiß nur, daß man ab und an jemanden findet, der an der Wahrheit interessiert ist, am Guten, wenn du es genau wissen willst, um der Sache willen. Wieviele Polizisten gibt es in New York, die niemals auch nur einen Dollar neben ihrem Gehalt kassiert haben? In Ordnung, vielleicht werde ich romantisch. Betrachte es auf die kaltblütige Art, wie du sie bevorzugst. Emanuel hat vier Jahre College hinter sich, vier Jahre Medical School, ein allgemeines Assistenzjahr in der Klinik, zwei Jahre in der Psychiatrie, drei Jahre Zusatzausbildung am Institut und viele, viele wertvolle Jahre an Erfahrung. Und das soll alles den Bach hinuntergehen, weil ein gerissener Mörder ein Mädchen in seiner Praxis umgebracht hat?«
»Ich hatte bisher immer den Eindruck, daß du
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