Gefährliche Praxis
ließen. Was tun wir hier eigentlich?, schienen sie sich, ein Lächeln auf den Lippen, gegenseitig zu fragen. Kate war da, weil sie sich einigen – wenigen – Familienverpflichtungen nicht entziehen mochte, und Jerry war da, weil Sally sehr hübsch und etwas Besonderes war. Kate hatte sie immer für eher langweilig gehalten, aber Jerry war vielleicht nur schlau genug, dem Lauf der Welt zu folgen und eine etwas langweilige und konventionelle, dafür aber hübsche Frau zu nehmen.
Als er bei ihr ankam, bot Kate ihm ein Bier an und kam gleich zur Sache: »Ich möchte dir einen Job anbieten«, sagte sie. » Du bekommst das gleiche, wie du jetzt hast.
Kannst du dort eine Zeitlang pausieren und dann wieder anfangen, wenn du willst?«
»Wahrscheinlich. Aber ich kriege bei diesem Job einen Aufschlag für Überstunden.« Er wirkte entspannt und wartete darauf, nun aufgeklärt und, so vermutete Kate, unterhalten zu werden.
»Ich bezahle dir nur den regulären Lohn. Dieser Job hier ist viel interessanter, und er entspricht auch mehr deinen Begabungen. Aber wenn du Erfolg hast, kriegst du am Ende noch einen Bonus.«
»Was ist das für ein Job?«
»Bevor ich dir das sage, mußt du mir feierlich versprechen, daß du alles wie ein Geheimnis behandelst. Mit niemandem darfst du darüber reden – weder mit deiner Familie noch mit deinen Freunden; sie dürfen nicht die leiseste Ahnung haben, in welcher Sache du steckst. Nicht einmal Sally darf argwöhnisch werden.«
»Einverstanden. Wie Hamlets Freunde werde ich nicht einmal erkennen lassen, daß ich darüber reden könnte, wenn ich es denn wollte. Ich schwöre es auf mein Schwert. Sehr gutes Stück, finde ich«, fügte er hinzu, bevor Kate ihren erstaunten Blick wieder unter Kontrolle hatte. »Ich verspreche, auch Sally kein Wort zuzuflüstern.« Kate schien seine Bereitschaft, Dinge vor Sally zu verheimlichen, nichts Gutes für ihrer beider Ehe zu versprechen, aber sie kannte keine Skrupel mehr, sondern nahm die glücklichen Fügungen so, wie sie kamen.
»Also gut. Ich möchte, daß du mir einen Mord aufklären hilfst. Nein, ich habe nicht den Verstand verloren, und ich habe auch weder Paranoia noch Megalomanie. Hast du von dem Mädchen gelesen, das auf der Couch eines Psychoanalytikers ermordet worden ist? Das hast du kaum übersehen können, nicht wahr? Sie glauben, der Analytiker war der Täter. Er ist ein sehr guter Freund von mir, und ich möchte beweisen, daß er es nicht war und seine Frau, die sie als Verdächtige in Reserve halten, genauso wenig. Aber ich bin überzeugt, daß ich Emanuels Unschuld nur beweisen kann, wenn ich herausbekomme, wer es getan hat. Ein junger Mann wie du kann ganz normal mit einer Menge Leute reden und Fragen stellen, die ich nicht stellen kann. Außerdem nimmt die Arbeit am College zum Semesterende immer gewaltige Ausmaße an.«
»Was ist mit der Polizei?«
»Die Polizei ist sehr gewissenhaft, auf ihre phantasielose Weise. Vielleicht habe ich da auch meine Vorurteile, wahrscheinlich sogar. Aber sie haben einen solch passenden Verdacht, sie sind dermaßen sicher, daß niemand sonst es getan haben könnte, daß sie ihre Nachforschungen in andere Richtungen zu wenig energisch betreiben, jedenfalls erscheint mir das so. Wenn wir eine richtig schöne Spur finden, die zu jemand anderem führt, dann könnten sie dazu überredet werden, diese weiter zu verfolgen.«
»Hast du denn einen Hauptverdächtigen?«
»Leider, nein. Uns fehlt es nicht nur an Verdächtigen, uns fehlt es erfreulicherweise an jeder Art von Informationen.«
»Vielleicht stand das Mädchen unter Drogen. Dann könnte sie jeder auf die Couch gelegt und ermordet haben, nachdem er erst einmal den Analytiker weggelockt hat.«
»Du hörst dich vielversprechend an. Also, über den Mord selbst haben wir schon ein paar Informationen, wenn auch nicht über andere Verdächtige oder über das Mädchen. Sie stand nicht unter Drogen. Wenn du den Job möchtest, erzähle ich dir alles. Es dauert nicht lange.«
Es dauerte jedoch länger, als Kate angenommen hatte. Sie erzählte Jerry die Geschichte von Anfang an, und sie begann damit, daß sie dem Mädchen Emanuel empfohlen hatte. Er hörte aufmerksam zu und stellte eine ganze Reihe intelligenter Fragen. Kate wurde klar, daß sie ihm ein Abenteuer mit sicherer Bezahlung bot, und vielleicht würde dieser Fall seine Sichtweise des Lebens verändern. Die jüngere Generation, so war täglich in den Zeitungen zu lesen – und es stimmte im
Weitere Kostenlose Bücher