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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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immer.
    Es schien Kate, abgesehen von der Frage der Zeit, die ihr zur Verfügung stand, unumgänglich, daß ein Mann gefunden wurde, möglichst ungebunden und frei, der für sie einen Teil der Nachforschungen erledigte. Der Kandidat mußte entweder wie der weltläufige Student höheren Semesters wirken und jene Patina besitzen, die nur auf einem etwas feineren College zu haben ist, oder der junge Arbeiter sein, der den Tag über geschuftet hat und, entsprechend angezogen, in den typischen Clubs und Kneipen herumsitzen und mit den anderen bereden kann, was man unter arbeitenden Menschen so beredet, ohne gleich anbiedernd zu wirken. Die Beschreibung paßte auf Jerry wie angegossen, und das zeigte wieder einmal, welche Vorzüge hin und wieder eine große Familie haben kann.
    Nicht, daß Jerry irgendwie mit Kate verwandt war; jedenfalls bis jetzt noch nicht. Aber eines Tages, in näherer Zukunft, würde er durch Heirat ihr Neffe werden. Kate erinnerte sich nicht genau, wie alt er war, aber er war alt genug, um wählen zu gehen, und jung genug, um zu glauben, daß das Leben voll unbegrenzter Möglichkeiten war. »Kein junger Mensch denkt je daran, daß er sterben wird.« Hazlitt hatte damit Jerry genau beschrieben.
    Obwohl Kate aus einer großen Familie stammte, war sie als Einzelkind aufgewachsen – eine einzigartige Kombination von Vorzügen. Ihre Eltern hatten, dem normalen Ablauf des Lebens entsprechend – normal nach den Regeln des oberen Mittelstandes in New York City (mit Sommerferien in Nantucket) –, in den ersten acht Jahren ihrer Ehe drei Söhne in die Welt gesetzt. Sie hatten sich gerade so weit von den Konventionen – oder dem, was Kate für durchdachte Ökonomie hielt – entfernt, daß ihnen plötzlich, der jüngste Sohn war schon vierzehn Jahre alt, noch eine kleine Tochter nachgeboren wurde. Sie hatten für Kate eine Kinderschwester eingestellt, danach eine Gouvernante, liebten sie hingebungsvoll, ließen ihr alles durchgehen und mußten dann verzweifelt mitansehen, wie sie dem gesellschaftlichen Leben ihrer Art den Rücken kehrte und nicht nur eine »Intellektuelle« wurde, sondern auch noch eine Doktorin der Philosophie. Die Schuld daran gab man, was ziemlich unfair war, der Tatsache, daß sie den Namen Kate erhalten hatte, weil ihre Mutter aus dem Englisch-Unterricht am College nur behalten hatte, daß dies der Lieblingsname Shakespeares war. Ihre Brüder hatten alle eine ordentlichere und in ihren Kreisen übliche Karriere gemacht. Sally Fansler, die Tochter ihres ältesten Bruders, war mit Jerry verlobt.
    Natürlich war Jerry nur mäßig passend. Wäre er absolut unpassend gewesen, z.B. ein Automechaniker, dann würde die Verlobung vermutlich mit allen Mitteln hintertrieben. Aber ihm ganz und gar den Fuß in den Nacken zu setzen – ihre Familie liebte solche auf den Körper bezogenen Metaphern, meistens mit anderen vermischt – , hätte bedeutet, dem amerikanischen Traum den Rücken zu kehren. Jerrys Vater war tot. Seine Mutter betrieb einen kleinen Geschenkeladen in New Jersey und hatte ihren Sohn mit Hingabe und harter Arbeit durchs College gebracht, und sie würde auch dabei helfen, Jerry ab nächsten Herbst auf die Law School zu schicken. Jerry hatte Stipendien gewonnen, hatte im Sommer und nach der Schule gearbeitet, im Laden der Mutter mitgeholfen, und er hatte eine Art, die Welt zu begreifen und zu bezaubern, so daß sie ihm gab, was sie zu geben hatte. Jerry hatte gerade seine sechs Monate in der Army hinter sich und fuhr jetzt bis zum Herbst einen Laster für ein Transportunternehmen für Gefriergut. Kate dachte sich, daß er vielleicht gerne etwas tun würde, das ein bißchen mehr nach Abenteuer aussah – für das gleiche Geld.
    Als sie bei seiner Mutter in New Jersey anrief, war er gerade von der Arbeit zurück und sofort bereit (zu Kates Überraschung), sich noch am selben Abend auf den Weg zu machen und mit ihr zu sprechen; zufällig hatte er den Wagen eines Freundes zur Verfügung. Kate gelang es, ihm vorzuschlagen, daß er den Anruf und das Ziel seiner Fahrt geheimhielt, ohne, wie sie hoffte, so konspirativ zu klingen, wie sie sich fühlte. Es war schon seltsam, dachte sie, daß sie bereit war, einem jungen Mann zu vertrauen, dem sie nur einige Male bei den Familienfeierlichkeiten im Zusammenhang mit der Verlobung begegnet war, an denen sie teilzunehmen bereit gewesen war. Sie hatten sich voneinander angezogen gefühlt, weil beide amüsiert und mit Abstand das Ganze geschehen

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