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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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die ganze Zeit reden und nie zuzuhören scheinen, aber sie unterbricht ihren Redefluß immer wieder mit pointierten Fragen, deren Beantwortung man nicht vermeiden kann. Sie weiß mehr über jeden als sonst jemand. Vielleicht kennen Sie diesen Typ?« Kate ließ bloß ein Stöhnen hören. Sie kannte diesen Typ nur zu gut. »Wie wäre es, wenn Sie gleich mit ihr sprechen? Wahrscheinlich steht sie jetzt gerade auf, und wenn Sie sie erst einmal zum Reden gebracht haben, wird sie Ihnen alles erzählen, was Sie wissen möchten. Ich glaube«, fügte Miss Lindsay hinzu und ging die Treppe voraus, »sie war es, die dem Kriminalbeamten erzählt hat, daß Janet Harrison immer ein Notizbuch mit sich heraumgetragen hat. Niemand sonst hatte das bemerkt.«
    Jackie antwortete auf ihr Klopfen, indem sie die Tür aufriß und beide fröhlich in das unordentlichste Zimmer hereinwinkte, das Kate seit ihren eigenen College-Tagen erlebt hatte. Jackie war noch im Nachtgewand: ganz kurze Höschen und ein spitzenbesetztes, ärmelloses Hemdchen – was für ein überflüssiger Aufwand in einem Wohnheim, das nur weibliche Studenten beherbergte! –, und bereitete sich mit dem Wasser aus der Warmwasserleitung eine Tasse Pulverkaffee. Sie bot ihnen auch davon an. Miss Lindsay lehnte mit lobenswerter Entschiedenheit ab, aber Kate akzeptierte ihre Tasse fromm in der Hoffnung, so schneller zu ihrem Ziel zu kommen. Immerhin hütete sie sich wohlweislich, das Gebräu zu trinken.
    »Sie sind also Professor Fansler«, fing Jackie an. Sie war wirklich genau die Frau, die hundert Jahre früher ihren Sonnenschirm geschwenkt und gesagt hätte: »Also, Sie sind Präsident Lincoln.«
    »Ich höre dauernd alle Studenten über Sie reden, aber ich schaffe es einfach nicht, einen Ihrer Kurse in meinen Stundenplan einzubauen. Alle Scheine, die ich an der Boston University gemacht habe, sind aus der Literaturwissenschaft – ich lese zu gerne Romane –, deshalb muß ich meine ganze Zeit hier anderen schrecklichen Fächern widmen. Aber einen von Ihren Kursen muß ich einschieben, weil alle sagen, daß Sie zu den wenigen Professoren gehören, die es schaffen, gleichzeitig unterhaltsame und profunde Vorlesungen zu halten. Und offengestanden: Die meisten Professorinnen sind fürchterlich langweilige alte Jungfern.« Jackie fiel wohl gar nicht auf, daß ihre Wortwahl etwas unpassend sein könnte. Kate kämpfte den Zorn nieder, den solche Verallgemeinerungen bei ihr auslösten.
    »Janet Harrison gehörte zu meinen Studenten«, sagte sie, was keine allzu raffinierte Einleitung war. Aber Raffinesse wäre bei Jackie wohl auch fehl am Platze gewesen.
    »Ja, ich weiß. Sie hat es einmal beim Lunch erwähnt, und viel, das wissen Sie ja, ließ sie nie heraus – der strenge, schweigsame Typ; alles andere als anziehend an einer Frau, finde ich. Egal, an dem Tag sagte sie beim Lunch (da mußt du aber gerade den Mund voll gehabt haben, dachte Kate hämisch), Sie hätten gesagt, daß Henry James gesagt hätte, Moral hänge ab – die Moral des eigenen Handelns, meinte er –, hänge ab oder solle abhängen von der moralischen Qualität der Person, die handelt, und nicht von der moralischen Qualität der Person, auf die die Handlung gerichtet sei. Natürlich«, fügte Jackie hinzu und zeigte das erste Anzeichen von Einsicht, das Kate an ihr entdeckte, »hat sie das besser ausgedrückt. Worum es aber ging, war, daß sie damit nicht einverstanden war. Sie meinte, wenn jemand moralisch schlecht sei, dann sollte man um seinetwillen etwas dagegen unternehmen und nicht wegen der eigenen Moral.« Kate nahm tapfer hin, daß sie und Henry James derart wiedergegeben wurden und fragte sich, ob Janet Harrison im Ernst so etwas gesagt haben könnte. Könnte sie Verbindung zu einem Drogenring gehabt haben?
    »Natürlich«, fuhr Jackie fort, »war sie frigide, das arme Ding, und völlig unfähig, Beziehungen zu anderen einzugehen. Das habe ich auch zu ihr gesagt, und sie hat mir praktisch zugestimmt. Ich hatte natürlich die Vermutung, daß sie eine Analyse machte. Sie ging jeden Morgen zur gleichen Zeit weg, und ich habe herausgefunden, daß sie nicht zur Vorlesung ging, und ich fand das auch gut für sie. Wenn Sie mich fragen, ich glaube, der Analytiker hat sie aus blankem Frust erstochen. Wahrscheinlich lag sie Stunde um Stunde da und machte den Mund nicht auf. Haben Sie mal eine Analyse gemacht?«
    Es war fast ein Vierteljahrhundert her, daß Kate den Drang in sich gespürt hatte, jemandem die

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