Gefährliche Praxis
wieder deinem Thomas Carlyle zu – wenn das der Mann ist, mit dem du diese Affäre da im Büchermagazin hast –, und ich setze mich auf die Spur des Zehn-Uhr-Patienten aus der Werbebranche. Du siehst einen jungen Mann vor dir, der darauf brennt, in die Werbung einzusteigen. Die Rolle nimmt man mir doch ab, oder?«
8
J erry erschien am nächsten Morgen um Viertel vor neun in Kates Wohnung. Sie hatten beschlossen, daß er jeden Morgen um diese Zeit zu einer Besprechung kommen sollte. Kate nahm an, ohne ihn direkt danach zu fragen, daß seine Mutter, seine Freunde und seine Verlobte immer noch glaubten, er sei mit dem Laster unterwegs.
»Eines macht mir Gedanken«, sagte Kate. »Warum hat der Mann, wer immer es war, die Uniform nicht zurückgebracht? Hätte er sie vor zwölf zurückgelegt, dann wäre dem Hausmeister gar nicht aufgefallen, daß sie weg war. Warum hat der Hausmeister übrigens nicht der Polizei erzählt, daß sie gestohlen wurde?«
»Die zweite Frage zuerst: Der Hausmeister hat der Polizei nichts davon erzählt, weil er die Polizei nicht mag und weil sie ihn sonst vielleicht ›hineingezogen‹ hätte oder auf die Idee kommen könnte, daß er mit in der Sache steckt. Der Diebstahl der Uniform könnte das Ganze so aussehen lassen wie eine interne Geschichte.«
»Wie schnell du dir den entsprechenden Jargon angewöhnst.«
»Und um auf die erste Frage zu antworten«, sagte Jerry und ignorierte ihren Einwurf, »er hat die Uniform nicht zurückgelegt, weil es schon riskant genug war, sie zu stehlen. Warum das doppelte Risiko eingehen und doppelt Gefahr laufen, erwischt zu werden? Außerdem stelle ich mir vor, es war für ihn so viel leichter, unbemerkt wieder herauszukommen. Einen Mann in Hausmeisteruniform beachtet man nicht weiter. Ein Mann, der mit Anzug und Aktenkoffer aus einem Studentinnenheim kommt, würde sehr wohl bemerkt. Besser, die Uniform für ein schnelles Verschwinden zu benutzen und sie dann in irgendeinem Müllschlucker verschwinden zu lassen.«
»Was hat er mit seinen eigenen Kleidern gemacht, als er die Uniform anzog?«
»Wirklich, Kate, du hast in diese Dinge nicht den richtigen Einblick, wenn du mir nicht übelnimmst, daß ich das sage. Er hat sie natürlich über seine eigenen Sachen gezogen. Der Hausmeister hat unglücklicherweise eine etwas ausladende Figur, wir brauchen also nicht gerade nach einem winzigen Mörder Ausschau zu halten. Solche Uniformen werden natürlich immer weitergegeben, niemand erwartet mehr als eine annähernde Paßform.«
»Also«, sagte Kate, »ich habe beschlossen, vorerst einmal Thomas Carlyle im Stich zu lassen. Schon ein entzückender Mann, auf seine Weise, aber nicht gerade erholsam. Er fordert schrecklich viel Zeit. Ich sollte mich besser an Frederick Sparks heranmachen. Schließlich arbeitet er auf meinem Gebiet – ich kenne sogar ein paar Leute an seinem Englisch-Institut –, und wenn er ein Motiv haben sollte, dann kriege ich das wohl eher heraus als du. Also bleibt dir die Werbebranche. Vielleicht hat einer von uns schon heute abend einen Verdächtigen mit einem schönen runden Motiv. Es kann natürlich auch sein, daß unsere Nachforschungen noch Tage dauern. Vielleicht sollten wir über alles genaue Notizen machen, und wenn wir das hier hinter uns haben, schreiben wir ein Handbuch für den Do-it-yourself-Detektiv. Hast du wirklich vor, dich um einen solchen Job zu bewerben?«
»Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden. Im Moment denke ich eher daran, mal Dr. Barristers Sprechstundenhilfe zu bearbeiten. Ich habe gestern einen kurzen Blick auf sie geworfen – sehr jung, sehr attraktiv, und, ich würde sagen, sehr gesprächsfreudig, wenn man sie sofort nach Arbeitsschluß dazu ermuntert – nachdem sie sich stundenlang das Gerede über die Unpäßlichkeiten ihrer ältlichen Patientinnen hat anhören müssen. Vielleicht erfahren wir so alles über den bösen Doktor von gegenüber.«
»Du bist ihm noch nicht begegnet. Wenn du ihn triffst, wirst du sehen, daß an ihm dummerweise nichts Unheimliches ist. Trotzdem müssen wir natürlich jede Möglichkeit einkalkulieren, falls das der richtige Ausdruck ist. Nur mach dich, nebenbei bemerkt, nicht so sehr an die junge, attraktive Sprechstundenhilfe heran, daß du darüber meine Nachforschungen und deine Verlobte vergißt.«
»Ich habe diesen Auftrag ohnehin nur übernommen, weil alle Detektive so ein faszinierendes Liebesleben haben. Hast du Raymond Chandler gelesen?«
»Ich habe
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