Gefährliche Praxis
Flaubert. Obwohl Proust sein französischer Lieblingsautor ist. Ich meine Gustaves Lieblingsautor.«
»Ich nehme an, er macht sich nicht viel aus Frauen. Sparks, meine ich.«
»Das vermuten die meisten. Ich, für meine Person, vergebe solche Etiketten nicht mehr. Über mich sind so viele falsche in die Welt gesetzt worden, daß ich einfach nicht mehr so denke. Übrigens ist er in der Analyse.«
Das war eine Richtung des Gesprächs, der Kate im Moment noch nicht folgen wollte. »Lillian, gibt es eine Möglichkeit, Sparks einmal zu treffen, bei einem gesellschaftlichen Anlaß vielleicht, oder ganz zufällig? Möglichst bald, wenn es geht.«
»Du faszinierst mich. Kein Mensch war begierig darauf, Sparks zu treffen, seit das P. & B.-Komitee ihn zur festen Anstellung vorgeschlagen hatte.«
»Was ist denn um Himmels willen das P. & B.-Komitee?«
»Ach, ihr Unschuldsgemüter, die ihr nicht an City-Colleges arbeitet. Keiner von uns hat die blasseste Idee, wofür die Initialen stehen, aber es ist ein allmächtiger Ausschuß. Jedenfalls gehe ich heut abend zu einer Party, die für einen Kollegen ausgerichtet wird, der ein Fulbright-Stipendium nach Indien bekommen hat, und Sparks wird zweifellos auch da sein. Ich bin selber schon in Begleitung, aber ich schleppe dich halt als eine Cousine mit, die wir nicht haben abschütteln können. Einverstanden?«
»Wunderbar. Aber je kleiner die Lügen, desto besser, heißt meine Devise. Sagen wir also, ich bin plötzlich bei euch hereingeplatzt.«
»Sehr gut, machen wir es noch geheimnisvoller. Platz also bei mir gegen acht herein. Bring eine Flasche als Mitbringsel mit, und du bist dreifach willkommen. Bis dann.«
Womit Kate nichts anderes übrigblieb, als wieder an ihre Arbeit zurückzugehen und sich zu fragen, was Jerry wohl gerade machte. Richard Horan, der Mann aus der Werbebranche, mußte sich jetzt gerade auf Emanuels Couch ausgestreckt haben. Dr. Barristers hübsche Sprechstundenhilfe hatte mit ihren weiblichen Patienten zu tun. Wahrscheinlich genehmigte Jerry sich währenddessen ein Doppelprogramm im Kino. Kate verbannte Daniel Messenger aus ihren Gedanken und nahm sich ›Daniel Deronda‹ vor.
9
J erry war nicht im Kino. Es hätte ihn auch geärgert, wenn er gewußt hätte, was Kate vermutete; um so mehr hätte sich Kate jedoch geärgert, wenn sie gewußt hätte, was er wirklich tat. Er lauerte nämlich Emanuel auf.
Es war nicht direkt so, daß Jerry Kates Überzeugung von der Unschuld Emanuels anzweifelte. Die beiden waren Freunde, das wußte Jerry, und er vermutete noch ein bißchen mehr – obwohl Kate sich in diesem Punkt nur sehr vage ausgedrückt hatte –, und das sprach sehr für Emanuels Unschuld, weil Frauen, davon war Jerry überzeugt, nicht automatisch eine hohe Meinung von Männern hatten, die sie zwar geliebt, aber nicht geheiratet hatten. Dennoch war für Jerrys männliches und daher objektives Einsichtsvermögen Emanuel immer noch der Verdächtige Nummer Eins, und die Tatsache, daß Kate von seiner Unschuld überzeugt war, wog nicht so schwer für Jerry, wie er behauptete. Auch wenn er bereit war, Kates Instruktionen zu folgen – schließlich bezahlte sie ihn dafür –, so konnte er sie sicher mit größerem Sinn für’s Zweckmäßige ausführen, wenn er mit Emanuel gesprochen hatte. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren hatte Jerry großes Vertrauen in seine Fähigkeit, Menschen richtig einzuschätzen.
Natürlich konnte er nicht einfach hineinmarschieren und sich Emanuel als Kates Assistenten und Neffen in spe präsentieren. Erstens hatte Kate Emanuel gar nichts über seine, Jerrys, Rolle bei den Nachforschungen erzählt, und zweitens war es wichtig, Emanuel unvorbereitet zu erwischen. Er wollte herausfinden, ob Emanuel, der ja nun um elf Uhr einen Termin frei hatte, einfach loswandern würde. Kate und Nicola waren überzeugt davon.
Also besorgte Jerry sich in einem Laden an der Madison Avenue ein Fensterleder – das er tugendhaft nicht auf seine Spesenrechnung setzte – und fing an, gegenüber dem Eingang zu Emanuels Praxis ein Auto zu polieren. Von dort aus hatte er einen sehr guten Überblick über alles, was ein und aus ging, und zugleich einen guten Grund, in einer eleganten Straße herumzulungern, in der man nicht gerade zum Herumlungern ermutigt wurde. Prekär würde die Sache nur werden, wenn der Besitzer des Wagens erschiene, aber Jerry war darauf vorbereitet.
Um fünf vor elf trat ein junger Mann aus dem Gebäude. Aller
Weitere Kostenlose Bücher