Gefährliche Praxis
weit Jerry und ich bisher gekommen sind. Das heißt, ich erzähle dir alles, was ich weiß. Was Jerry heute im Laufe des Tages unternommen hat, erfahre ich erst morgen früh. Wenn ich fertig bin und du Bescheid weißt, dann kannst du mir deine faszinierende Neuigkeit erzählen.« Sie erzählte Reed von Jerry und der Hausmeisteruniform, das wiederum erinnerte sie an die Unterhaltung mit Jackie Miller, also berichtete sie ihm auch davon und von dem, was sie in den Universitäten gefunden hatte, schließlich noch von Sparks und Jerrys Plan, die Bekanntschaft von Horan und der Sprechstundenhilfe zu machen.
Reed trug das Ganze, alles in allem, recht tapfer. Er überdachte die Fakten – wenn es Fakten waren, wie er beharrlich betonte. »Dir ist klar«, sagte er, »daß diese unmögliche Jackie Miller den Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit in Händen haben könnte, jedenfalls wenn wir annehmen, daß Janet Harrison mit einem Mann gesehen wurde und daß dieser Mann in irgendeinem Zusammenhang mit dem Fall steht. Aber das ist alles doch sehr hypothetisch. Inzwischen addieren wir mal meine Neuigkeit, und reg dich nicht gleich wieder so auf, wenn du sie hörst. Sie klingt wunderbar, aber je länger man darüber nachdenkt, desto weniger Sinn ergibt sie. Tatsächlich kommt mir die ganze Geschichte immer unzusammenhängender vor. Und, meine liebe, junge Frau, wir müssen ohne Frage über Jerry reden. Wie du auch nur einen Augenblick lang daran denken konntest, ihn anzuheuern – ich nehme an, das bedeutet, du bezahlst ihn dafür, daß er sich selbst in Schwierigkeiten bringt und Staub aufwirbelt. Wie du nur an so etwas denken konntest…«
»Wie ist nun deine faszinierende Neuigkeit, Reed? Laß hören, und dann denken wir gemeinsam darüber nach, und wenn wir entdecken, daß tatsächlich alles unsinnig ist, dann können wir uns beim Frühstück immer noch über Jerry streiten – ich glaube, bis dahin ist Frühstückszeit.«
»In Ordnung. Ich habe dir von Daniel Messenger erzählt.«
»Ich weiß. Er beschäftigt sich mit irgendwelchen jüdischen Erbfaktoren.«
»Jetzt reicht es, Kate. Ich gehe. Du brauchst erst einmal eine Nacht lang Schlaf, und morgen, wenn du ausgeruht bist…«
»Tut mir leid. Du hast mir von Daniel Messenger erzählt, und…«
»Ich habe dir gesagt – auch wenn du, wie ich mich erinnere, nicht bereit warst, das zu akzeptieren –, daß Dr. Messenger unserem Mann auf dem Foto überhaupt nicht ähnlich sieht. Wir haben einen jungen Kriminalbeamten zu dem guten Doktor geschickt, und danach sah es so aus, als hätten wir die Zeit des Beamten und wertvolle Steuergelder verschwendet. Messenger hatte noch nie von Janet Harrison gehört und von Emanuel Bauer genauso wenig; er hat nicht viel Ahnung von Psychiatrie und hatte mit Sicherheit Chicago in den Wochen des Mordes nicht verlassen. Mehr noch, er konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, warum Janet Harrison ihm ihr Geld hinterlassen sollte; ihm kam nur der Gedanke, es könnte vielleicht ein anderer Daniel Messenger gemeint sein. Das war natürlich Unsinn. Sie wußte viel zu genau über ihn Bescheid, zum Beispiel, wo er wohnte und seit wann, woran er arbeitete und so weiter. Der Anwalt hatte ihr geraten, die Adresse des Mannes, sein Alter et cetera mit anzugeben, was sie auch getan hatte. Es gibt nicht den leisesten Zweifel, daß er der Mann ist.«
»Wie du siehst«, fuhr er fort, »haben wir da ein ganz nettes Problem, Kate, aber durchaus typisch für diesen ganzen vertrackten Fall. Und jetzt kommt es: Unser junger Kriminalbeamter wollte gerade Feierabend machen und gehen, als ihm etwas einfiel, das so auf der Hand liegt, daß er sich wahrscheinlich als Genie entpuppen und es in der Welt noch weit bringen wird – alle genialen Ideen erscheinen, wenn das Genie sie erst einmal gedacht hat, als ›auf der Hand liegend‹. Selbstverständlich hatte der Beamte einen Abzug von dem Foto aus Janet Harrisons Handtasche bei sich, um sicher zu gehen, daß Daniel Messenger bei noch soviel Phantasie keine Ähnlichkeit damit hatte. Kurz bevor er gehen wollte, zeigte er Messenger das Foto. Es geschah aus einem Impuls heraus, denn keiner hatte daran gedacht, ihn dazu anzuhalten. Er zeigte es ihm ganz beiläufig und erwartete sich auch nichts davon. ›Den Mann kennen Sie nicht zufällig, oder?‹ fragte er ihn oder so ähnlich.«
Reed holte tief Luft. »Anscheinend hat Messenger sich das Bild ziemlich lange angeschaut, so daß der Kriminalbeamte schon
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