Gefährliche Praxis
glaubte, er sei mit seinen Gedanken ganz woanders – du weißt ja, wie lang einem ein paar Sekunden vorkommen können, wenn man auf eine Antwort wartet –, und schließlich sah Messenger den Beamten an und sagte: ›Das ist Mike.‹«.
»Mike?« fragte Kate.
»Genau das sagte der Kriminalbeamte auch: ›Mike? Was für ein Mike?‹ Und was, glaubst du, sagte der Doktor?«
»Ach du lieber Schreck. Ein Ratespiel. Ich liebe Ratespiele. Wieviele Antworten habe ich frei, Daddy? In Teufels Namen, was hat er gesagt?«
»›Was für ein Mike?‹ hat er geantwortet. ›Mike Barrister: Wir hatten mal eine gemeinsame Bude, vor Urzeiten‹.«
»Mike Barrister!« sagte Kate. »Dr. Michael Barrister. Reed! Da ist die Verbindung, auf die wir gewartet haben. Ich habe es gewußt. Früher oder später mußten ein paar von unseren verstreuten Fakten zusammenpassen. Janet Harrison hinterläßt ihr Geld Messenger, Messenger kannte Barrister, und Michael Barrister hat seine Praxis gegenüber der von Emanuel. Reed, es ist wunderbar.«
»Ich weiß, daß es wunderbar ist. Für einen kurzen, strahlenden, runden Augenblick ist alles wunderbar. Aber wenn es aufhört, dir in den Ohren zu klingen, und du anfängst, ein bißchen darüber nachzudenken, dann ist es zwar noch immer wunderbar, aber es hat verdammt wenig zu bedeuten.«
»Unsinn, sie wurde wegen ihres Geldes ermordet.«
»Selbst wenn wir annehmen, sie hatte genug Geld, um dafür umgebracht zu werden – was ich für alles andere als ausgemacht halte –, wer hat sie ermordet? Messenger war es nicht; er hat Chicago nicht verlassen. Und selbst wenn wir bereit sind, uns noch einmal auf die Idee vom gekauften Mörder einzulassen – du gibst selbst zu, daß sie lächerlich ist –, dann ergibt trotzdem jede nur mögliche Untersuchung, daß Messenger der letzte Mensch auf der Welt ist, der in Frage kommt. Dringend Geld brauchte er nicht, das wissen wir jedenfalls durch Nachfrage bei seiner Bank. Seine Frau arbeitet als Sekretärin, und wenn sie auch nicht reich sind, in einer verzweifelten Lage befinden sie sich nicht. Offenbar sogar weit entfernt davon, denn sie haben schon unauffällig das Geld für die College-Erziehung ihrer Töchter zurückgelegt. Sie haben keinen ausgefallenen Geschmack – ihr Traumurlaub heißt Camping im nördlichen Michigan. Sie haben keine Schulden, es sei denn, du nennst eine Hypothek auf ihrem Haus Schulden; in dem Fall gäbe es ein paar Millionen potentielle Mörder in den Vereinigten Staaten.«
Reed sah Kate an. »Ich weiß, Kate, deine Gedanken kreisen nur noch um deinen Hauptverdächtigen, Dr. Michael Barrister. Wir wissen sogar, daß er einmal wegen eines Kunstfehlers angeklagt war, obwohl ich inzwischen erfahren habe, daß die meisten Anzeigen dieser Art ziemlich ungerechtfertigt sind und praktisch jeder Arzt mal mit einem Verrückten zu tun hat, der sich ärgert, weil er keine Wunderkur verpaßt bekommt oder aufgeschnappt hat, daß diese Behandlung der durchgeführten vorzuziehen sei. Aber selbst wenn die Anzeige gerechtfertigt sein sollte, so macht sie den Betroffenen nicht zum Mörder.
Und selbst wenn, warum sollte Dr. Barrister ein Mädchen ermorden und damit einem Mann, den er seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hat, eine nicht besonders große Summe zukommen lassen?«
»Vielleicht wollte Barrister nur Emanuel in Schwierigkeiten bringen; vielleicht haßt er Emanuel aus irgendeinem verrückten Grund.«
»Mag sein, daß er das tut, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, warum. Das einzige, was wir wissen, ist, daß Emanuel ihn nicht besonders mochte. Aber was hat Messenger damit zu tun? Wieso sollte die Tatsache, die uns so aufregt – daß Messenger und Barrister sich früher gekannt haben –, irgend etwas mit Barristers Gefühlen Emanuel gegenüber zu tun haben? Emanuel und Messenger kennen sich nicht, und abgesehen von der zufälligen gemeinsamen Adresse, gilt das auch für Barrister und Emanuel. Es ist eine hübsche Tatsache, Kate, aber sie führt uns kein Stück weiter. Keinen Zentimeter.«
»Augenblick, Reed, du machst mich konfus. Ich gebe zu, Messenger ist zwar hilfsbereit, aber nicht sonderlich erhellend. Aber wir wissen jetzt immerhin, wer der junge Mann auf dem Foto ist. Warum haben wir ihn übrigens nicht erkannt?«
»Ich habe ihn nicht erkannt, weil ich ihn nie gesehen habe. Und du hast ihn ja erkannt, teilweise. Du sagtest, das Foto erinnere dich an jemanden, weißt du noch? Ein Mann verändert sich sehr in den Jahren
Weitere Kostenlose Bücher