Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
sollen allein weitermachen, Papa fühlt sich heute nicht so gut. Aber natürlich, seit der Staat für ihre Studiengebühren aufkommt und nicht mehr sie selbst oder die lieben Eltern, springen sie über Tische und Bänke und kommen ungestraft davon. Was man niemals tun darf, ist, einen Freund in der eigenen Klasse die Vertretung machen lassen. Falls der Freund gesehen wird (und bei uns steckt alles voller Spione), wird das sogleich dem Großen Bruder zugetragen, und beide haben dann Rede und Antwort zu stehen vor dem großen Disziplinarausschuß. Sie wirken, das sehe ich mit Vergnügen, reichlich entsetzt. Aber es ist die schlichte Tatsache: Ohne eigene Fakultät können die kein College der ersten Garnitur führen, was aber nicht bedeutet, daß sie nicht intern als das Letzte angesehen wird. Als vor einigen Jahren die Polio-Schutzimpfungen Pflicht wurden, haben als erste die Mitglieder der Verwaltung sie bekommen, dann der Küchenstab, dann das Hauspersonal, dann die Studenten und zum Schluß (immer in der Hoffnung, daß noch genug Serum übrigblieb) die Mitglieder der Fakultät. Die IBM-Maschinen hätten es als allererste gekriegt, wenn nur jemand entdeckt hätte, wie man ihnen solch eine Spritze applizieren kann.«
    Impulsiv zog Kate das hervor, was sie nur noch das Foto nannte, und reichte es Sparks. »Haben sie den jemals gesehen?« fragte sie. »Ich dachte, vielleicht ist er bei Ihnen als Student gewesen«, log sie geschwind dazu.
    Sparks nahm das Foto und studierte es sorgfältig. »Ich vergesse nie ein Gesicht«, sagte er. »Das ist keine Prahlerei, sondern schlichte Tatsache. Dafür erinnere ich mich nie an Stimmen oder Namen, was, wie mir gesagt wurde, bezeichnend ist. Ich glaube nicht, daß ich diesen Burschen mal kennengelernt habe, ich könnte ihm auf der Treppe begegnet sein, oder ich bin mit ihm im Aufzug gefahren, irgendwann einmal in einem Bürogebäude. Aber es ist nicht das ganze Gesicht; die Augen stimmen nicht. Die Gesichtsform indessen, nein, es hat keinen Zweck, aber wenn mir einfällt, an wen es mich erinnert, lasse ich es Sie wissen. Haben Sie ihn aus den Augen verloren?«
    »Genau das. Ich dachte, er könnte mit Janet Harrison in Verbindung gestanden haben, einer Studentin von mir. «
    »Na so was! Die junge Dame, die auf der Couch erdolcht wurde? Ich war dort, als sie ihre Leiche entdeckten, wissen Sie. Sie war Ihre Studentin?«
    »Sie waren da?«
    »Ja. Bauer ist zufällig auch mein Analytiker. Weil wir gerade von Gesichtern reden, ihres war außergewöhnlich. Ich bin manchmal etwas früher zu meiner Sitzung gekommen, wenn die verdammte U-Bahn mich nicht aufhielt, nur, um mir das Gesicht anzusehen.«
    »Haben Sie jemals mit ihr gesprochen?«
    »Bestimmt nicht. Wie gesagt, mit Stimmen habe ich es nicht so, meine eigene ausgenommen, der höre ich gerne von morgens bis abends zu. Zudem, einmal angenommen, aus dem Gesicht schallt Ihnen plötzlich eine quietschende, nasale Stimme entgegen: Ich hätte niemals meine Freude an ihr haben können. Ganz nebenbei, hatte sie eine?«
    »Was? Eine nasale Stimme? Nein, es war eine glatte Stimme, nur etwas nervös. Ist Bauer ein guter Analytiker?«
    »Oh, ja. Erstklassig. Hervorragend, wenn es darum geht, herauszuhören, was man gar nicht sagt. Bei mir ist das das Wichtigste.« Und plötzlich, als wolle er Kate Gelegenheit geben, zu hören, was er nicht sagte, lehnte er sich zurück und verschwand buchstäblich hinter einem Vorhang des Schweigens. Kate, die Parties nicht mochte und zudem müde war, fühlte sich deprimiert. Reed hatte recht gehabt. Detektiv spielte man nicht, nur weil man Lord Peter Wimsey bewunderte und einen Freund hatte, der furchtbar in der Klemme saß. Sie hatte sich in eine Party gedrängt, sich an diesen Mann herangemacht, Lillian ausgenutzt, und wozu das alles? Wußte sie nun, ob er an dem Freitag seine Zehn-Uhr-Vorlesung gehalten hatte, als die Uniform gestohlen wurde? Seinen Termin bei Emanuel hatte er eingehalten. Konnte er in das Studentinnenwohnheim gegangen sein und Janet Harrisons Zimmer durchwühlt haben? Das kam ihr unwahrscheinlich vor. Konnte er sich auf dieses ruhige Mädchen gestürzt haben, weil er sich selbst dafür verabscheute, daß er einer Institution diente, die er nicht respektierte? Du hast ein ganz schönes Talent für Fragen entwickelt, dachte Kate bei sich, aber noch keine einzige Antwort gefunden.
    Kate sagte Gute Nacht und Dankeschön zu ihrem Gastgeber, der sich sichtlich nicht mehr erinnerte, wer sie war,

Weitere Kostenlose Bücher