Gefaehrliche Spur
zerfetzt hätte.
Travis hatte sich zwar nicht ihren Namen gemerkt, aber er hatte ihren Mut bewundert. Ihren Lebenswillen. Und ja, er hatte sich gewünscht, die Frau kennenzulernen, ihr die Hand zu schütteln und ihr zu sagen, dass sie eine Heldin war. Was er sowieso nicht hätte tun dürfen. Zumindest nicht als FBI-Agent. Und da in den Medien ihr Name nicht genannt worden war, wäre er in Erklärungsnot geraten, wenn er als Zivilist bei ihr aufgetaucht wäre. Ganz abgesehen davon, dass sie nach ihrem knappen Entkommen genug damit zu tun hatte, das Erlebnis zu verarbeiten, denn die Medien waren nicht nur positiv mit ihr umgesprungen.
Dass er ihr ausgerechnet hier begegnet war … Er hatte sie nicht erkannt, denn die einzigen Bilder von ihr in der FBI-Akte zeigten eine halb nackte, in einen OP-Kittel gekleidete Frau, der ebenso wie ihr Gesicht auch das Haar mit so viel Blut verklebt war, als hätte man ihr wie Stephen Kings Carrie kübelweise Blut übergegossen. Zunächst hatte man sie für eine psychopathische Mörderin gehalten, bis man Dr. Carringtons Sammlung seiner Masken entdeckt hatte, die er in einem gemieteten Lagerraum versteckte, den er zu einem Museum hergerichtet hatte, in dem jede Maske angestrahlt wurde. Der Anzahl der noch leeren Maskenständer nach zu urteilen, hätten nach seinen siebzehn Opfern noch mindestens zwanzig weitere folgen sollen. Doch O p fer Nummer achtzehn hatte dem ein Ende bereitet und mindestens zwanzig Frauen das Leben gerettet.
Travis konnte verstehen, warum der Skinner Ryanne in seine Sammlung hatte einreihen wollen. Sie war eine Schönheit, der seiner Meinung nach nicht einmal die Narbe im Gesicht etwas anhaben konnte. Sie sah das anders, klar, aber Schönheit lag immer im Auge des Betrachters. Mehr noch als ihre Schönheit und die Tatsache, dass sie rothaarig war, weshalb sie ihm schon per se gefiel, hatte ihn der Mut beeindruckt, mit dem sie sich äußerlich furchtlos den vier Kerlen entgegen gestellt hatte. Was für eine Frau! Und ihr Kuss … Er konnte sich nicht erinnern, wann der Kuss einer Frau ihn schon jemals so erregt hatte. Er hatte ihn in jeder Faser seines Körpers gespürt und eine Lust empfunden, die völlig anders war als alles, was er bisher kannte. Am liebsten hätte er auf der Stelle mit ihr geschlafen.
Gut, den Kuss hatte sie als Bestätigung gebraucht, dass sie trotz ihrer En t stellung immer noch attraktiv war. Aber die Leidenschaft, die er bei ihr g e spürt hatte, zeigte ihm, was für eine tolle Frau in ihr steckte. Wenn sie erst ihr Trauma bewältigt hätte … Nicht nur ihr Mut hatte ihn beeindruckt, sie b e rührte etwas in ihm, als hätte ihre Begegnung eine Saite in ihm zum Klingen gebracht, die bis dahin noch nie angeschlagen worden war. Er lauschte ihrem Klang nach und wünschte sich, auch in Ryanne eine solche Saite anzuschl a gen. Zu spüren, wie sie harmonierten, ein Duett spielten, das sich auf ihr ganzes Leben übertrug und ...
Waynes Ankunft unterbrach seine Gedanken. Sein Freund setzte sich in die Bank hinter ihm, sodass sie Rücken an Rücken saßen. Nachdem Wayne sich Frühstück bestellt und Kaffee bekommen hatte, zog er sein Smartphone he r aus und tat, als würde er telefonieren, damit es niemandem auffiel, dass er in Wahrheit mit Travis sprach; was er leise genug tat, dass nur er ihn hören konnte.
„ Guten Morgen, Travis. Joy lässt dich grüßen. Wie war deine Nacht?“
Wayne und Kia operierten unter den Tarnnamen Will und Joy Salinger. A l lerdings war Joy tatsächlich Kias zweiter Vorname. Travis antwortete ihm ausschließlich in Gedanken.
Danke der Nachfrage, das Bett in Joe’s House war ausreichend bequem. Gibt es was Neues?
„ Wir haben die Organisation überprüft. Sie wird von einer Silvia Carter g e leitet, die als Frontfrau agiert. Die Organisation ist gemeinnützig. Ein paar Sponsoren stiften Geld, das Carter verwaltet, andere stellen in ihren Häusern ein Zimmer zur Verfügung, in denen die für ihr Programm auserwählten Kandidaten wohnen können, während sie auf Kosten der Organisation for t gebildet und anschließend in einen Job vermittelt werden.“
Hört sich auf den ersten Blick sauber an.
„ Ist es auch nach unseren Ermittlungen.“
Und auf den zweiten? Joe hat mir erzählt, dass Aid for the Homeless ungefähr zwanzig Leute von der Straße geholt hat. Einer der Obdachlosen sagt aber, dass es erheblich mehr gewesen sind, die zumindest behauptet haben, dass die Organisation ihnen einen Platz vermitteln
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