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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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hinein, und es gab noch
eine Reihe kleinerer Seen und Flüsse. Der Highway 395 — auf dem man, wenn man
von dort nach Süden fuhr, irgendwann am Tufa Lake in der Nähe von Hys Ranch
ankam — durchschnitt den Landkreis. Im Osten erhoben sich die Warner Mountains
mit bis zu 3000 Meter Höhe. Spirit irgendwas. Ich suchte die Karte
segmentweise ab. Da: Spirit Lake, in der Nähe einer kleinen Ansiedlung namens
Sage Rock. Ein entlegenes Fleckchen für eine Ferienanlage, aber nicht abwegig,
wenn man es auf ein exklusives Publikum abgesehen hatte, das Ruhe und
Abgeschiedenheit zu schätzen wusste. Ein Top-Restaurant und ein erstklassiger
Golfplatz, dazu eine Landebahn für größere Privatjets, und schon würde das
Geschäft florieren. Aber der See lag nicht in einem Indianerreservat, ja nicht
mal in der Nähe eines solchen. Wie konnte Austin DeCarlo in diesem Fall
irgendwen übers Ohr hauen wollen? Ich nahm mein Handy heraus, rief in der
Detektei an und verlangte Mick. Ted erklärte verärgert, er habe ihn zu einem
neuen Klienten geschickt. »Was immer er da für dich macht — es geht ins Geld,
wenn wir es nirgends in Rechnung stellen können«, beschwerte er sich.
    »Lass das mal meine Sorge sein.«
    »Du solltest dich allerdings sorgen.
Nächstes Frühjahr steht uns eine Mieterhöhung ins Haus, und weißt du, wie hoch
unsere letzte Nebenkostenabrechnung war? Wann bist du wieder hier?«
    »Weiß ich nicht so genau.«
    »Und in der Zwischenzeit soll ich hier
den Laden zusammenhalten.«
    »Ich vertraue darauf, dass du das tust,
ja.«
    Lange Schweigepause. »Ach, verdammt,
ich mache mir Sorgen um dich, das ist alles. Du bist nicht du selbst, seit dein
Vater gestorben ist.«
    Er wusste nicht mal die Hälfte. »Danke
für deine Anteilnahme. Kannst du noch ein bisschen durchhalten?«
    »Ich halte durch, so lange es nötig
ist. Soll ich Mick bitten, dich anzurufen?«
    »Nein.« Ich gab ihm durch, was genau
Mick für mich herausfinden sollte, und bat ihn, es weiterzugeben. Ted war ein
guter Freund, ein guter Mitarbeiter, und ich hatte — wenn er auch noch nichts
davon ahnte — Großes mit ihm vor.
     
     
     
     

16 Uhr 05
     
     
    Die Gegend südöstlich von King City
bestand aus sanften Hügeln mit sonnenverdorrtem Gras, auf dem braun — weißgesichtige
Kühe weideten. Das hier war altes Ranchland, kaum anders als um die
Jahrhundertwende, da kleine Talortschaften wie San Ardo und Bradley wichtige
Marktzentren gewesen waren. Ich war sogar an einer halb verfallenen Scheune
vorbeigekommen, an deren Wand eine immer noch lesbare Reklame für
Mail-Pouch-Tabak prangte.
    Die DeCarlo-Ranch lag an der Cat Canyon
Road, einige Dutzend Meilen über Land. Das dürre, braune Gras wich Weinbergen,
wo sich endlose Rebenreihen herbstlich zu färben begannen. Ein Trichterwagen
voller Trauben bog gerade aus einem Fahrweg auf die Straße, und ich musste
einen gehörigen Schlenker machen, um ihm auszuweichen. Weinlese im Salinas Valley.
    Das Zufahrtstor stand offen, also bog
ich ein und folgte der Teerstraße zu einer Ansammlung von Blechschuppen, wo
etliche Arbeiter — überwiegend Hispanos — herumliefen. Ein großer, grauhaariger
Mann in Levi’s und Westernhemd winkte gerade einen weiteren Lastwagen auf die
Fahrstraße heraus. Ich parkte den MG am Straßenrand und stieg aus.
     
    Als der Laster davonfuhr, bemerkte mich
der groß gewachsene Mann und kam auf mich zu. Er war sehr hager. Die Levi’s
saßen lose und tief auf seinen Hüften, und seine wilde Haarmähne schimmerte in
der Sonne. Die Furchen in seinem rohlederfarbenen Gesicht sagten mir, dass er
bestimmt über achtzig war — ein rüstiger Greis allerdings. Arbeit im Freien
über Jahre hin, bei Wind und Wetter, hatte ihn gestählt, und sein Gang wirkte
immer noch agil und elastisch.
    »Hallo!«, rief ich. »Ich suche Joseph
DeCarlo.«
    Er verlangsamte seinen Schritt, jetzt
sichtlich misstrauisch. »Was wollen Sie von ihm?«
    »Mit ihm reden, in einer persönlichen
Angelegenheit. Ist er heute hier auf der Ranch?«
    Der Mann blieb vor mir stehen, und die
zusammengekniffenen blassblauen Augen musterten mich von oben herab. Er machte
eine wedelnde Handbewegung in Richtung der Männer hinter ihm, und sie
verschwanden schnell und wortlos — mit Ausnahme eines vierschrötigen,
muskelbepackten Hispanos, der mit verschränkten Armen an einem Pick-up lehnte.
    Ich sagte: »Mein Name ist Sharon
McCone«, und streckte ihm eine meiner Karten hin.
    Der Mann nickte, als hätte er das schon
die

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