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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nach seiner
Stuhllehne, um mich festzuhalten.
    Er stand rasch auf, und durch meinen
inneren Tumult hörte ich ihn etwas Entschuldigendes zu seinen Begleitern sagen —
dass ich die Tochter eines alten Freundes sei, was für mein Empfinden windig
klang und bei ihnen als die glatte Lüge ankommen musste, die es war. Ich fühlte
seine Hände nicht sonderlich sanft meine Schultern umfassen, als er mich in
Richtung Tür bugsierte. Sah Gäste an den anderen Tischen neugierig und
beunruhigt herübergucken. Er blieb erst stehen, als wir ein paar Häuser weiter
waren, drehte mich dann zu sich um und sah mir prüfend ins Gesicht. Schüttelte
den Kopf — versuchte wieder zu leugnen, was er sah.
    Endlich fand ich meine Stimme wieder.
»Gehen wir irgendwohin, wo wir ungestört reden können.«
     
    »Ich kann’s nicht abstreiten«, sagte
Austin DeCarlo. »Der Beweis ist da in deinem Gesicht.«
    Wir saßen an den entgegengesetzten
Enden eines Sofas in einem Raum, der den ganzen dritten Stock seines Hauses
einnahm. Die halbrunden Glaserker nach Norden und Süden warfen unser
Spiegelbild zurück, Vater und Tochter, in unsicherer, verkrampfter Sitzhaltung.
Im Kontrast dazu lag sein Irish Setter Rupert völlig entspannt zwischen uns auf
dem Sitzpolster.
    Zuerst hatte DeCarlo meine Geschichte
mit offener Skepsis aufgenommen und Beweise dafür verlangt, dass ich die war,
für die ich mich ausgab. Ich hatte ihm meine Lizenz, den Adoptionsantrag und
das Newsweek -Foto gezeigt, und da war es allmählich zu ihm
durchgedrungen, dass er seiner vierzigjährigen Tochter gegenübersaß. Noch
erschütterter als ohnehin schon, war er aufgestanden, um Feuer im Kamin zu
machen und uns beiden Cognac einzuschenken.
    Jetzt fragte ich: »Meine Mutter — das
war Saskia Hunter?«
    »Ja.«
    »Lebt sie noch?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »In Boise, Idaho.«
    »Hast du noch Kontakt zu ihr?«
    »...Im Grunde nicht. Das ist
kompliziert.«
    »Inwiefern?« Ich hob den
Cognacschwenker an meine Lippen. Meine Hand zitterte. Trotz des Feuers wurde
mir einfach nicht warm.
    »Fangen wir mit dem Anfang an.« DeCarlo
drehte sich zu mir, einen Arm über der Rückenlehne des Sofas.
»Neunzehnhundertachtundfünfzig reiste ich mit einem Freund herum. Wir hatten
beide das Valley satt, und mein Vater und ich kamen nicht miteinander aus. Er
wollte, dass ich in das Familiengeschäft einsteige, damit er sich zur Ruhe
setzen und ganz der Ranch widmen könnte, aber ich konnte mir nicht vorstellen,
von einer Filiale zur anderen zu fahren und zu kontrollieren, wie es mit den
Pflanzengewebsanalysen stand. Also erstanden mein Freund und ich einen
gebrauchten Triumph und fuhren damit los.« Er lächelte. »Ich möchte mir gern
einbilden, dass wir die Vorläufer der Jungs aus ›Easy Rider‹ waren, aber ich
schätze, in Wirklichkeit waren wir ziemlich naive Provinzknaben.«
    Ich wippte mit dem Fuß, nervös und
ungeduldig. Das Letzte, was ich mir jetzt anhören wollte, war ein sentimentaler
Aufguss seiner jugendlichen Reiseerlebnisse.
    Er bemerkte meine Ungeduld und
beschleunigte sein Erzähltempo. »Na ja, jedenfalls, nach fünf Monaten gab der
Wagen in Fort Hall, Idaho, seinen Geist auf, und während wir dort auf
Ersatzteile warten mussten, lernte ich deine Mutter kennen. Sie war siebzehn — hübsch,
gescheit und auf ihre Art ganz schön wild. Ihre Eltern wollten nicht, dass sie
mich traf, aber sie schlich sich heimlich weg und auf den Schrottplatz, wo mein
Freund und ich kampierten. Als der Wagen wieder lief, zahlte er mir meinen
Anteil aus und zog weiter. Ich mietete mir ein Zimmer bei Freunden von Kia und
nahm einen Job in einem Café an. Bald darauf zog sie zu mir, und im Winter wurde
sie dann schwanger.«
    »Und da hast du sie verlassen.«
    Er zuckte unter meinem vorwurfsvollen
Ton zusammen. »So war’s nicht.«
    »Wie dann?«
    Er setzte zaghaft an, meine Schulter zu
berühren, hielt auf halbem Weg inne. »Hör zu, ich weiß, das ist nicht leicht für
dich. Für mich ist es das jedenfalls ganz und gar nicht. Könnten wir versuchen,
keine vorschnellen Urteile Zufällen?«
    »Du meinst, ob ich versuchen könnte,
keine vorschnellen Urteile zu fällen. Okay, ich werde mich bemühen. Hast du sie
geliebt, Austin?« Ich wusste nicht, wieso es wichtig sein sollte, ob ich ein
Kind der Liebe war oder nicht, aber es war mir wichtig.
    Er dachte kurz nach. »Ich glaubte, Kia
zu lieben. Ich muss es geglaubt haben, denn ich machte ihr einen Heiratsantrag,
obwohl wir damals schon seit einer ganzen

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