Gefährliche Stille
das überraschte mich nicht, da die Familie Fenella
immer im Verdacht gehabt hatte, sich ihr Einkommen durch ihre Verehrer
aufbessern zu lassen. Doch einige dieser höheren Zahlungseingänge stachen ins
Auge: Von 1960 bis 1966 waren ihrem Konto alljährlich im Juli und im November
jeweils 2500 Dollar gutgeschrieben worden — genau die Summe, die sie einen
Monat darauf Saskia Hunter hatte zukommen lassen.
Ich nahm mir das Foto in dem
Büffelknochenrahmen vor und musterte Hunter. Dann schloss ich die Augen und
vergegenwärtigte mir das Foto von Mary McCone, das zu Hause in unserem
Wohnzimmer gestanden hatte. Ja, es stimmte: Ich sah meiner Urgroßmutter
ähnlich. Aber noch ähnlicher sah ich Saskia Hunter.
Meine Kopfhaut kribbelte, und ich kniff
die Augen zusammen, versuchte, die Gesichtszüge des Mannes neben Hunter
auszumachen. Die breite Krempe seines Cowboyhuts tauchte sie in Schatten,
machte sie schwer erkennbar. Er hatte ein resolutes Kinn und volle Lippen, aber
mehr ließ sich nicht feststellen.
Na ja, ich kannte seinen Namen — Austin
DeCarlo und bald würde Mick mit den Nachforschungen beginnen. Ich würde jetzt
sofort eine Computersuche nach Hunter starten.
Geboren am 4. April 1941, in Fort Hall,
Idaho. Sie war siebzehn gewesen, als das Newsweek-Foto entstand. Eltern:
Harry und Rose Hunter, beide verstorben. Eine der Verwandten, die Fenella
damals aufgetan hatte.
Keine Unterlagen über eine
Eheschließung in Bingham County. Aber auch kein Totenschein. Kein
Telefonbucheintrag.
Zwei öffentliche High Schools in der
näheren Umgebung. Ich rief eine davon an und ließ mich mit der Schulbibliothekarin
verbinden. Sie suchte das Jahrbuch von 1958 heraus. Saskia Hunter hatte einen
überdurchschnittlich guten Abschluss gemacht, und unter ihrem Foto stand, dass
sie Lehrerin werden wollte.
Irgendwelche Unterlagen darüber, auf welches
College sie gegangen ist?, fragte ich. Die Bibliothekarin verband mich mit der
Studienberaterin. Die erklärte, die Akten aus den fünfziger Jahren seien im
Archiv.
Im regionalen Telefonbuch waren etliche
Hunters verzeichnet. Ich begann, sie durchzutelefonieren.
»Komischer Name, Saskia. Hätte ich mir
bestimmt gemerkt, wenn wir verwandt wären.«
»Nie gehört.«
»Meine Frau und ich sind gerade erst
nach Idaho gezogen.«
»Gute Frau, falls Sie’s nicht wissen,
Hunter ist ein ziemlich häufiger Name.«
»Ich kannte eine Kia Hunter auf der
High School. Weiß aber nicht, was aus ihr geworden ist.«
»Wir sind schon irgendwie verwandt, Kia
und ich. Aber ich hab sie vor einer Ewigkeit aus den Augen verloren.«
»Miss, ich habe drei schreiende Kinder
am Hals und hüte noch den Köter von meiner Schwester. Ist wirklich kein guter
Moment, mir mit blöden Fragen zu kommen.«
Ende der Liste. Sackgasse. Was jetzt?
Das Telefon klingelte. Mick. »Hier sind
schon mal ein paar Informationen über Austin DeCarlo«, sagte er. »Geboren am
22.11.1936 in Salinas. Eltern: Audrey Simms und Joseph DeCarlo. Mutter
Hausfrau, Vater Rancher. Die Mutter ist tot, der Vater lebt immer noch auf der
Ranch bei King City. Die war bis 1980 ein Viehzuchtbetrieb, jetzt wird dort
hauptsächlich Wein angebaut. Austin DeCarlo besitzt ein Haus in Monterey, wo
auch der Sitz seiner Firma ist.«
»Was für eine Firma?«
»Baulanderschließung und Bau. DeCarlo
Enterprises. Sie bauen Luxushotelanlagen. Ich lade dir die Info von ihrer
Website runter.«
»Sonst noch was zur Person?«
»Zweimal verheiratet: mit Dawn Chase,
Eheschließung in King City 1961. Scheidung 1970, keine Kinder. Und mit Anna
Bastoni, Eheschließung 1971 in Monterey. Scheidung 1989. Keine Kinder.«
»Bildungsweg?«
»Abschluss der King City High 1953.
Dann Cal Poly von dreiundfünfzig bis sechsundfünfzig, kein Abschluss. Das ist
erst mal alles. Ich faxe es dir rüber und mache weiter.«
»Danke, Mick.«
»Gern geschehen. Ach, übrigens, du hast
mir gar nicht gesagt, auf welchen Klienten ich meine Arbeitszeit verbuchen
soll.«
»Auf keinen, erst mal. Schreib dir
einfach nur die Stunden auf.«
»Das wird Ted aber gar nicht passen. Du
bist in letzter Zeit so viel weg, dass er noch penibler ist als sonst.«
Und das wollte allerdings etwas heißen.
»Wenn er dir irgendwelche Schwierigkeiten macht, sag ihm, er soll sich an mich
wenden.«
Das Material, das mir Mick faxte,
enthielt sowohl Austin DeCarlos Privat- und Firmenadresse in Monterey als auch
die Adresse der Ranch seines Vaters. Ich kramte meine
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