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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ganze Zeit gewusst. Er nahm die Karte, guckte aber nicht darauf, sondern
musterte weiter mein Gesicht. »Verdammt noch mal«, sagte er. »Sie sehen auch
noch aus wie sie.«
    »Wie wer?«
    »Als ob Sie das nicht wüssten. Hat sie
Sie geschickt?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich
bin Privatermittlerin und in einer vertraulichen Angelegenheit hier.«
    Er sah auf meine Karte, warf dann den
Kopf in den Nacken und stieß ein raues, bellendes Lachen aus. »Also, das ist ja
wohl die Krönung! Hat ein bisschen in eigener Sache herumgeschnüffelt und war
freudig überrascht, was dabei rausgekommen ist. Aber jetzt hören Sie mal zu,
Missy: Ich habe viele Jahre Zeit gehabt, über dieses Thema nachzudenken. Jede
Menge Zeit, mir zu überlegen, was ich tue, sollte dieser Tag je kommen. Also,
hören Sie: Sie werden jetzt sofort von meiner Ranch verschwinden und meinen
Jungen in Ruhe lassen.«
    Seiner Ranch. »Sie sind Joseph DeCarlo.«
    »Sie wissen genau, wer ich bin.«
    »Ich möchte mit Ihnen reden. Und mit
Ihrem Sohn auch.«
    »Ach, nein, wer hätte das gedacht. Das
Dumme ist nur, dass mein Sohn und ich nicht mit Ihnen reden wollen.«
    »Warum lassen Sie Ihren Sohn nicht
selbst entscheiden?«
    »Nein, Missy, so läuft das hier nun mal
nicht.«
    »Wie läuft es dann?«
    DeCarlo trat drohend auf mich zu. »Es
läuft so, wie ich es sage.« Er schnippte mit den Fingern, und der Mann, der am
Pick-up gelehnt hatte, kam heran. »Das da ist Tony. Er ist der Chef meines
Sicherheitstrupps. Er wird sie jetzt von meinem Grund und Boden geleiten — in
aller Höflichkeit. Sollten Sie noch mal wiederkommen, wird er nicht annähernd
so höflich sein.«
    Tony ging zum MG, öffnete die Fahrertür
und bedeutete mir einzusteigen. Ich ignorierte ihn.
    »Mr. DeCarlo, Ihr ›Junge‹ ist ein mehr
als erwachsener Mann von über sechzig. Glauben Sie wirklich, er will sich von
seinem Vater vorschreiben lassen, mit wem er reden darf und mit wem nicht?«
    »Er tut, was ich ihm sage.«
    »Immer?«
    Es zuckte um seinen Mund; ich hatte
einen Nerv getroffen. Er winkte Tony, der herüberkam und mich am Arm packte.
    Ich sagte: »Ich habe da so eine Ahnung,
dass Ihr Sohn doch gern mit mir reden würde, über Fort Hall, Idaho. Und über
Saskia Hunter.«
    Joseph DeCarlos Gesicht färbte sich
rot. Er sagte zu Tony: »Schaff sie hier weg!«
    Tony versuchte, mich am Arm
davonzuführen, aber ich stieß ihn weg. Dann stieg ich in aller Ruhe in den MG
und fuhr gemächlich los.
    An der Landstraße bog ich links ab,
statt in die Richtung, aus der ich gekommen war. Die Straße führte im Bogen
nach Südosten, der Grenze des DeCarlo’schen Anwesens folgend. Nach einer
knappen Meile entdeckte ich eine weitere Einfahrt und manövrierte den MG unter
die herabhängenden Äste einer immergrünen Eiche. Stieg aus und ging zu Fuß
weiter, wobei ich mich dicht bei der hohen Steinmauer hielt.
    Ein an massiven Steinpfeilern
verankertes Eisentor versperrte die Einfahrt; das Tor war verschlossen und eine
Sprechanlage die einzige Möglichkeit, Einlass zu erlangen — eine Möglichkeit,
die für mich ausschied. Durch die Gitterstäbe sah ich den schwarz geteerten
Fahrweg zwischen Eukalyptusbäumen zu einem Haus auf einer Hügelkuppe emporführen:
ein Bau aus Holz und Stein, so massiv wie die Torpfeiler. Ein altes Haus, noch
aus dem neunzehnten Jahrhundert.
    Ich trat ein Stück zurück und
inspizierte die Mauer. Zu hoch, um einfach so drüberzuklettern, und außerdem
würde der Draht, der sich die Mauerkrone entlangspannte, mit Sicherheit eine
Alarmanlage auslösen. DeCarlo war ein vorsichtiger Mensch, darauf bedacht zu
schützen, was ihm gehörte — einschließlich seines Jungem.
    Ich ging zu meinem Wagen zurück und
setzte mich hinein, um zu warten. Vielleicht würde mein Besuch ja irgendeine
Art von Aktivität provozieren.
     
    Die Sonne begann hinter dem
Küstengebirge zu verschwinden, und die Schatten wurden länger. Ich saß jetzt
schon fast eine Stunde hier, ohne dass jemand gekommen oder davongefahren war.
Ich hatte Durst und wurde langsam kribbelig, zum einen vom beengten Sitzen im
MG, zum anderen wegen der Spekulationen, die mir durch den Kopf schwirrten. Mir
knurrte der Magen; ich gierte nach einem Cheeseburger mit Speck.
    In Monterey hatte ich einen Burger-Imbiss
gesehen, also gab ich das Warten auf und fuhr dorthin zurück.

19 Uhr 51
     
     
    Das Büro der DeCarlo Enterprises im
Zentrum von Monterey war geschlossen. Ich fuhr weiter durchs Geschäftsviertel
und den

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