Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
ich
euch bekannt.«
    Austin DeCarlo stand, im blauen
Business-Anzug mit rotblau gestreifter Krawatte, vor dem Kamin im
Empfangszimmer und betrachtete die bemalte Hirschhaut. Als er sich zu uns
umdrehte, wirkte er förmlich.
    »Sharon, ich bin sofort gekommen, als
ich das mit Kia gehört habe. Wie geht’s ihr?«
    »Sie liegt im Koma, seit es passiert
ist.«
    »Hast du sie noch gesprochen?«
    »Nein.« Ich zog Robin näher. »Das ist
Austin DeCarlo, mein Vater. Robin Blackhawk, meine Halbschwester.« DeCarlo
streckte die Hand aus, aber Robin atmete scharf ein und wich zurück. Ihr
Gesicht wurde hart. »Austin DeCarlo, der Bauunternehmer in der Spirit-Lake-Sache?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass
er dein Vater ist?«
    »Du hattest genug zu verkraften, ohne
dass ich dir das auch noch zugemutet habe. Aber jetzt, wo er hier ist...«
    »Jetzt, wo er hier ist, möchte ich ihm
ins Gesicht spucken!« Sie funkelte DeCarlo wütend an. »Erst schwängern Sie
meine Mutter und lassen Sie sitzen. Dann...«
    »Ms. Blackhawk, mir ist klar, dass wir
uns nicht unter den günstigsten Umständen kennen lernen...«
    »Umstände? Umstände, die Sie herbeigeführt haben! Das waren doch Sie, oder? Der versucht hat, meine Mutter
umzubringen?«
    DeCarlo runzelte die Stirn. »Kia
umbringen? Wieso sollte ich...?«
    Robin stieß einen Wutlaut aus, halb
Stöhnen, halb Schrei, und stürzte sich auf ihn. Ihre Fäuste trommelten in die
Luft, dann auf seine Brust. DeCarlo fasste sie an den Schultern und schob sie
von sich, während ich sie von hinten packte.
    »Robin, beruhige dich!«, sagte ich. »Er
wäre doch nicht hierher gekommen, wenn...«
    »Er hätte überhaupt nicht kommen
dürfen!« Sie riss sich los, schleuderte mich gegen die Wand neben dem Türbogen.
Als ich wieder Luft bekam und hinter ihr herlaufen wollte, war sie schon halb
die Treppe hinauf. Sie schluchzte heftig. Ich ließ sie gehen.
    DeCarlo kam zu mir herüber. »Alles
okay?«
    Ich nickte.
    »Guter Gott, was sollte das?«
    »Setzen wir uns.«
    Mir war das Ganze schrecklich. Ich
hätte Robin vorbereiten müssen. Ein Versehen, weil ich verwirrt und müde war
und Austin so überraschend aufgetaucht war? Oder hatte ich diese Konfrontation
unbewusst herbeigeführt, in der Hoffnung, an seiner Reaktion irgendetwas
ablesen zu können? War mein Hirn tatsächlich so hinterlistig, selbst dann, wenn
ich noch halb schlief? War ich wirklich so grausam?
    »Was genau führt dich hierher?«, fragte
ich ihn.
    »Ich habe von Kias Unfall gehört, von
meinem Anwalt. Ich dachte mir, du brauchst vielleicht meine Hilfe.«
    Eine absurde Begründung. In vierzig
Jahren hatte er einen einzigen halbherzigen Versuch gemacht, mich zu finden,
und jetzt eilte er an meine Seite, um den Daddy zu spielen.
    Mein Gesicht musste meine Gedanken
verraten haben. »Okay«, sagte er. »Das war vielleicht anmaßend, aber es war nun
mal mein spontanes Gefühl.«
    »Woher wusstest du, wo ich bin?«
    »Von deinem Büro.«
    Ich hatte gestern Abend noch in der
Detektei angerufen und Adresse und Telefonnummer auf dem Anrufbeantworter
hinterlassen. »Du hättest zuerst anrufen sollen.«
    »Das ist mir jetzt auch klar. Warum
glaubt Robin, ich hätte Kia umbringen wollen?«
    Ich erklärte ihm die näheren Umstände
des ›Unfalls‹. »Die Polizei nimmt alle unter die Lupe, mit denen sie privat
oder beruflich in Konflikt steht. Du figurierst ganz oben auf der Liste.«
    »Wegen der Spirit-Lake-Sache? Das ist
doch verrückt.«
    »Tatsächlich? Wo warst du letzte Nacht,
Austin?«
    »Ach, hör doch auf!«
    »Wo?«
    »Mit meiner Freundin Nicole zusammen,
als Wiedergutmachung dafür, dass ich sie einfach im Restaurant habe sitzen
lassen, als du mich gefunden hast.«
    Das klang plausibel, und ich wollte ihm
glauben, aber... »Wir müssen über die Spirit-Lake-Sache reden«, sagte ich. »Ehe
die Polizei dich ausfindig macht. Weiß irgendjemand in Monterey, dass du hier
bist?«
    »Mein Geschäftsführer, aber der gibt
die Information nicht heraus.«
    »Gut. Hier können wir aber nicht reden.
Warum suchst du dir kein Hotelzimmer?«
    »Ich habe im Grove eins reserviert.«
    »Dann geh dahin, und ich komme nach,
sobald ich Robin beruhigt habe.«
    Er nickte und stand auf. Er zögerte
kurz, als wollte er noch etwas sagen, wandte sich dann aber zum Gehen. Ich
blieb noch einen Moment sitzen und ging dann nach oben, um meine Halbschwester
zu trösten.
     
     
     
     

19
Uhr 02
     
     
    Ich überquerte die »The Grove«

Weitere Kostenlose Bücher