Gefährliche Stille
von Willson hin stellte er ihn
aufs oberste Bord und zückte ein Notizbuch.
Willson sah mich an und sagte: »Ms.
Blackhawk sagt, Sie haben den Eindringling gesehen?«
»Nur kurz, und beschreiben kann ich ihn
nicht. Ich glaube, es war ein Mann. Nicht unbedingt groß, aber kräftig gebaut,
den Fingern nach.«
»Er hat auf Sie geschossen?«
»Jedenfalls auf meine Taschenlampe.«
»Warum haben Sie nicht die
Notrufzentrale angerufen, sobald Sie bemerkten, dass da jemand im Haus war?«
»Als mir klar war, dass es niemand von
der Familie ist, war es schon zu spät; er hätte es gehört und wäre geflüchtet.
Also habe ich stattdessen versucht, ihn zu Gesicht zu kriegen.«
»Stellen Sie gewohnheitsmäßig
Einbrecher, wenn Sie nicht wissen, ob diese bewaffnet sind oder nicht?«
»Gewohnheitsmäßig? Nein, aber...« Ich
reichte ihr die Geschäftskarte, die ich beim Anziehen in meine Jeanstasche
gesteckt hatte.
Willson inspizierte sie, hielt sie
Castner hin. Der zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Deshalb kam mir der Name
so bekannt vor. Der Diplo-Bomber-Fall, stimmt’s? Ich habe die People -Story
über sie gelesen.«
Das Profil in der Zeitschrift People hing mir an wie eine falsche taktische Anweisung einem Verlierercoach nach dem
Super-Bowl.
Willson sagte zu Robin: »Und Sie, Ms.
Blackhawk? Haben Sie ihn gesehen?«
»Ich bin erst von dem Schuss wach
geworden. Bis ich kapiert hatte, was los war, war der Kerl weg.«
»Haben Sie eine Ahnung, was er gesucht
haben könnte? Wertsachen? Bargeld?«
»Wir besitzen keine sonderlich
wertvollen Dinge. Und wir haben nie viel Bargeld im Haus.«
»Was ist mit den Fallakten Ihrer
Mutter?«
»Die sind im Büro unter Verschluss.«
Willson sah Castner an. »Hat sich dort
jemand dran zu schaffen gemacht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Hat sie irgendwelche Akten oben?«
»Vermutlich schon. Sie arbeitet immer
noch spät nachts in ihrem Zimmer. Aber was sollte jemand damit wollen?«
»Sie könnten Informationen enthalten,
die jemand haben wollte — oder verschwinden lassen wollte. Wir werden uns dort
oben mal umsehen, und dann würde ich gern an ihre aktuellen Fälle gehen. Keine
Sorge, Ms. Blackhawk, wir kriegen diesen Kerl. Unser Dezernat hat eine
Aufklärungsquote von siebenundsechzig Prozent.«
Ich sagte: »Aus dem, was Sie sagen,
schließe ich, dass Sie auch an einen Zusammenhang zwischen dem Einbruch und dem
Anschlag glauben?«
Um Willsons Mund war jetzt ein
ärgerliches Zucken. »Ms. McCone, es mag ja sein, dass die Polizei in San
Francisco ihre Theorien mit Außenstehenden erörtert, aber hier in Boise wird
das nicht so gehandhabt. Ich weiß nicht mal genau, weshalb Sie hier sind. Aus
geschäftlichen Gründen?«
»Nein.«
»Und Sie stehen zu den Blackhawks in
welcher Beziehung?«
Robin sagte: »Sie ist meine Schwester.«
»...Nach meinem Informationsstand hat
Ihre Mutter nur zwei Kinder — Sie und Ihren Bruder Darcy.«
»Sharon ist meine Halbschwester. Meine
Mutter hat sie zur Adoption freigegeben, bevor sie meinen Vater heiratete. Wir
sind uns gestern das erste Mal begegnet.«
»Verstehe.« Willsons nachdenklicher
Miene entnahm ich, dass sie mein Auftauchen just zu diesem Zeitpunkt für einen
ebenso unwahrscheinlichen Zufall hielt wie ich den Einbruch.
Ich sagte: »Diese Information ist
natürlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Saskia Blackhawk wusste weder,
was aus mir geworden war, noch, dass ich sie gefunden hatte. Sie wurde
angefahren, ehe wir uns treffen konnten.«
Willson warf mir einen eisigen Blick
zu, aber Castners Mundwinkel zogen sich amüsiert nach oben; ihm schien es zu
gefallen, dass jemand gegenüber seiner schroffen Partnerin ein festes Auftreten
zeigte.
»Meine Schwester«, fügte ich hinzu,
»ist bereit, Ihre Ermittlungen in jeder möglichen Form zu unterstützen. Und ich
ebenso.«
Robin nickte, stand auf und straffte
ihre schmalen Schultern. »Gehen wir an die Akten meiner Mutter. Ich habe
genügend Krimiserien geguckt, um zu wissen, dass der Zeitfaktor bei der
Ergreifung von Tätern eine wichtige Rolle spielt. Ich will, dass Sie dieses
Schwein kriegen.«
Saskia Blackhawk war eine aktive,
engagierte Anwältin. Sie hatte eine Menge laufender Fälle, von großen
Bundesrechtssachen wie dem Prozess um die Fischrechte der Coeur d’Alene und der
Spirit-Lake-Sache bis hin zur Pro-bono-Vertretung einzelner Indianer in
kleineren Streitigkeiten. Sie hatte beratend, wenn auch ohne Mandat, bei einem
bahnbrechenden
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