Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
der is Ihnen bestimmt dankbar, wenn Se ihm das stecken.« Er war überzeugt, daß Evan es nicht umsonst tat, egal, wer er war. So war das Leben.
    »Danke.« Evan ließ seinen halbleeren Krug stehen; Tom trank ihn sicher nur allzugern aus. »Genauso werd ich's machen. Gute Nacht.«
    »Nacht.« Tom nahm den Krug rasch in Gewahrsam, ehe ein übereifriger Barmann ihn wegnehmen konnte.
    Evan trat in die merklich abgekühlte Abendluft hinaus und marschierte mit hochgeschlagenem Kragen und flottem Schritt los, ohne nach rechts oder links zu schauen, bis er in die Mincing Lane einbog. Die Hauseingänge waren von Leuten bevölkert, die offenbar nichts Besseres zu tun hatten. Er entdeckte den Aalpastetenverkäufer und seinen Karren auf Anhieb. Auf dem Kopf des dünnen Männchens thronte etwas schief ein Zylinderhut, um seine schmale Taille wand sich eine Schürze. Den Behältern, die er vorsichtig vor sich her balancierte, entströmte ein verlockender Duft.
    Evan kaufte ihm eine Pastete ab, die er mit großem Genuß verspeiste. Der heiße Teig war angenehm knusprig, das zarte Aalfleisch zerging ihm auf der Zunge.
    »Willie Durkins gesehen?« erkundigte er sich nach einer Weile.
    »Heut abend noch nich.« Der Mann war vorsichtig; umsonst verschleuderte man keine Informationen, erst recht nicht, ohne zu wissen, an wen.
    Evan hatte keine Ahnung, ob er ihm glauben konnte, aber da ihm nichts Besseres einfiel, zog er sich verfroren und gelangweilt zurück, um zu warten. Ein Straßensänger schmetterte im Vorbeigehen eine Ballade über den neuesten Skandal in die Nacht; es ging um einen Geistlichen, der eine Lehrerin verführt und sie und das Kind anschließend im Stich gelassen hatte. Evan erinnerte sich, daß der Fall vor einigen Wochen durch die Presse gegangen war, doch diese Version erwies sich als erheblich anschaulicher. In weniger als einer Viertelstunde hatten der Straßensänger und der Aalstand dafür gesorgt, daß mindestens ein Dutzend Leute kauend und lauschend herumstand. Der Barde bekam als Gegenleistung ein freies Abendessen - und ein dankbares Publikum.
    Aus der Finsternis in südlicher Richtung löste sich ein schmächtiger Mann mit fröhlichem Gesicht. Er kaufte eine Pastete, verschlang sie mit sichtlichem Vergnügen, besorgte sich noch eine und bescherte sie großzügig einem verdreckten Kind.
    »Gut gelaufen heute, Tosher?« erkundigte sich der Pastetenmann mit wissender Miene.
    »So gut wie den ganzen Monat noch nich«, erwiderte Tosher.
    »Hab doch tatsächlich 'ne goldene Uhr gefunden! 'n richtiges Prachtstück, so was sieht man nich oft.«
    Der Pastetenmann lachte. »Na, da wird irgend so 'n feiner Herr sein Glück aber verfluchen!« Er grinste breit. »Was 'n Pech aber auch, ha?«
    »Ohoh, schreckliches Pech!« stimmte Tosher ihm kichernd zu.
    Evan kannte sich gut genug auf den Straßen aus, um zu verstehen. »Tosher« nannte man Leute, die Kloaken nach verlorengegangenen Gegenständen absuchten. Was ihn betraf, konnten sie und die Gassenjungs unten am Fluß ihre Funde ruhig behalten; sie waren schwer genug verdient.
    Die unterschiedlichsten Leute stellten sich ein und verschwanden wieder: diverse Straßenhändler, die ihr Tagwerk endlich hinter sich gebracht hatten; ein Droschkenfahrer; eine Gruppe Schiffer, die es vom Fluß hierher verschlagen hatte; eine Dirne; und schließlich, als Evan vor Kälte und aus Mangel an Bewegung schon ganz steif und kurz vorm Aufgeben war, Willie Durkins.
    Ein flüchtiger Blick seinerseits reichte, dann hatte er Evan erkannt. Sein rundes Gesicht nahm einen vorsichtigen Ausdruck an.
    »Hallöchen, Mr. Evan! Was wolln Sie denn hier? Is doch gar nich Ihr Revier?«
    Evan versuchte gar nicht erst zu lügen. Es wäre zwecklos und würde bloß nach böser Absicht aussehen.
    »Im Westen, in der Queen Anne Street, ist letzte Nacht ein Mord geschehen.«
    »Was für 'n Mord denn?« fragte Willie sichtlich verwirrt. Sein Gesichtsausdruck wurde noch wachsamer, die Augen, wegen der Straßenlaterne über dem Pastetenstand ohnehin leicht zusammengekniffen, noch schmaler.
    »Sir Basil Moidores Tochter ist in ihrem Bett erstochen worden - von einem Einbrecher.«
    »Kommen Sie - Basil Moidore?« Willie sah ihn zweifelnd an.
    »Der hat bestimmt 'n Heidengeld, aber in seinem Haus musses von Dienern nur so wimmeln! Wer wagt sich 'n da schon hin? Muß 'n ganz schöner Blödmann gewesen sein!«
    »Ja, der sollte wirklich eins aufs Dach kriegen.« Evan schob die Unterlippe vor und schüttelte leicht

Weitere Kostenlose Bücher