Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)
über die Augen, als sei er todmüde. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, schätzungsweise neun oder zehn Uhr. Draußen ist es bereits dunkel, das war es auch vor Stunden schon. Gott, was freue ich mich auf den Frühling! Vor allem jetzt, da mir plötzlich eiskalt geworden ist. Meine Hände zittern vor Wut.
„Wo sind meine Klamotten? Ich möchte mich vorher noch umziehen, oder soll ich in diesem Aufzug nach Hause fahren?“
Mein Herz rast vor Aufregung. Wofür hält er mich? Für eine Prostituierte, die er zum Sex herzitieren und anschließend bequem wegschicken kann? Ich bin stinksauer und balle meine Hände zu Fäusten, bis sich meine Nägel ins Fleisch krallen.
„Sei mir nicht böse.“
Mehr sagt er nicht. Mit traurigen Augen dreht er sich um und verlässt den Salon, lässt mich einfach stehen wie ein unbestelltes Paket. Zum Teufel, Jason! Ich könnte dich umbringen!
Ich schlucke die aufsteigenden Tränen herunter und eile so schnell ich auf den halbhohen Schuhen kann hinter ihm her, aber als ich den Flur betrete, ist von Jason nichts zu sehen.
„Jason, verdammte Scheiße!“, rufe ich laut in Richtung Treppe, doch auch von oben kommt kein Ton.
„Verfluchter Idiot!“
Schimpfend gehe ich die Treppe hoch und reiße zunächst die Schlafzimmertür auf. Auch hier finde ich ihn nicht, dafür liegen meine Jeans und meine lila Bluse ordentlich gefaltet auf dem Bett. Wer war das ? Jason jedenfalls nicht, er war ja die ganze Zeit unten mit mir. Als ich auch mein Höschen und meinen BH auf dem Stapel finde, koche ich fast vor Wut. Es passt mir gar nicht, dass wildfremde Leute in meinen Klamotten herumwühlen. Womöglich war es die blonde Ziege, die sich über meine spießige Kleider lustig gemacht hat?
Mein Spiegelbild verschwimmt mir vor den Augen. Ich schlüpfe aus dem Kleid und werfe es mitsamt den Sandalen in die Ecke, bevor ich mich hastig anziehe. Meine Handtasche liegt auf der Kommode. Ich sehe nicht nach, ob jemand etwas herausgenommen – oder womöglich reingetan – hat, stattdessen eile ich zurück in den Flur, wo ich kurz stehen bleibe und nachdenke.
Es reizt mich, die weiteren Türen zu öffnen und nachzusehen, was sich dahinter verbirgt. Ob Jason irgendwo sitzt und schmollt. Was soll das alles? Woher kommt sein plötzlicher Sinneswandel? Meine Haut fühlt sich noch immer feucht und warm an von der soeben verspürten Erregung, und eigentlich hätte ich mich jetzt gern an ihn gekuschelt, mit ihm im Bett gelegen und Champagner getrunken und gelacht.
Blödsinn, Emma. Ein Typ wie Jason Hall teilt sein Bett nicht mit einer Frau wie dir, was bildest du dir denn ein?
Zögerlich gehe ich auf die benachbarte Tür zu, die tiefer im Flur liegt, und drücke die Klinke herunter. Ohne Erfolg, sie ist verschlossen. Ebenso die nächste. Weiter probiere ich es gar nicht, stattdessen gehe ich zur Treppe zurück und nach unten, nur um festzustellen, dass vor dem Haus der schwarze Mercedes mit laufendem Motor auf mich wartet.
Cinderella, die Kutsche ist da . Es ist noch gar nicht null Uhr, dafür habe ich einen Pantoffel zurückgelassen. Nicht auf der Treppe, sondern im Schlafzimmer, wo er hingehört. Das Beste aber ist – ich trage noch immer Grannys Halsband unter meiner Bluse.
Grinsend setze ich mich auf die Rückbank des Autos und nicke Orlando zu, der wie immer kein Wort mit mir wechselt, dafür im Rückspiegel freundlich lächelt.
13
Reverend Morris macht mich nervös. Ich habe höchstens zwei Stunden geschlafen letzte Nacht und bin immer noch sauer und wütend. Auf Jason, und auf mich selbst. Und auf Sylvia, die natürlich in ihrem superkurzen Nachthemd (das eigentlich ein T-Shirt ist, allerdings in Kindergröße!) aus ihrem Zimmer geschlurft kam um mich zu fragen, was zum Teufel ich um die Zeit schon zu Hause mache.
Als ich daraufhin heulend zusammengebrochen bin, war die Nacht gelaufen. Jedenfalls für mich. Sylvia teilte zum Glück meine Wut, und sie tat mir ein bisschen leid, weil sie Frühschicht und meinetwegen heute sicherlich einen harten Tag im Krankenhaus hat. Trotzdem war sie für mich da und hörte sich alles an. Alles! Diesmal habe ich nichts verschwiegen und den kompletten Abend geschildert, und meine beste Freundin stimmte mir zu, dass Jason nach wie vor ein Arsch ist und ich froh sein soll, das Halsband wiederzuhaben.
Meine Hand greift unwillkürlich zum Hals. Immer wenn ich es berühre, muss ich lächeln. Weil ich an Granny denke; und seit gestern Abend, weil ich mich freue, ihn
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