Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)
damit ausgetrickst zu haben. Eine Woche Sex – am Arsch, Jason Hall! Nicht mit mir, ich bin keine billige Hure.
„Hast du die Einladungen alle verschickt, Emma?“
Der blonde Hüne, der in seinem Talar irgendwie immer aussieht wie ein verkleideter Basketballspieler, ruft mir die Frage von nebenan zu. Dort geht er schon den ganzen Vormittag auf und ab wie ein eingesperrtes Tier, was mich heute in den Wahnsinn treibt.
„Ja, die sind im Postkorb und werden heute Nachmittag abgeholt!“, rufe ich zurück und verdrehe die Augen. Das dämliche Gemeindefest – jedes Jahr nach Ostern feiert die Gemeinde hier ein großes Fest, und weil sie mitten in der City liegt, wird die Party in der Regel zu 90 Prozent von ausländischen Touristen besucht, die Fotos schießen und versuchen, möglichst ausgefallene Motive zu finden.
Zum Beispiel einen einradfahrenden Jesus oder eine Jungfrau Maria, die auf Stelzen läuft. Nicht, dass wir uns so was ausdenken würden – die Akrobaten und Kleinkünstler aus dem benachbarten Covent Garden wissen die Aufmerksamkeit zu schätzen und nutzen die Gelegenheit, um ihre Kunststücke vor der großen Kirche aufzuführen. Das war auch im letzten Jahr so, und wenn ich Ken Glauben schenken darf, in den Jahren davor ebenso.
Er ist leider immer noch krank, klang am Telefon vorhin aber sehr fidel, sodass ich fürchten muss, dass er nur keinen Bock hat auf die ganze Vorbereitung. Die dadurch leider an mir hängen bleibt.
Nebenan kommt Leben ins Büro. Ich höre Reverend Morris’ Stimme, die dunkel und klar ist, eine perfekte Predigerstimme. Dann ertönt die Stimme von Reverend Clawson, der rund zwanzig Jahre älter ist als sein blonder Kollege und schnarrt wie ein deutscher Soldat aus dem zweiten Weltkrieg. Ein unangenehmer Zeitgenosse, mit dem mein Chef sich den Vorsitz der Gemeinde teilt.
„Emma. Auf ein Wort.“
Ausgerechnet der Soldatenschnarrer kommt zu mir, und schließt sogar die Tür hinter sich. Was ist passiert?
„Reverend Clawson ... die Einladungen sind ...“
„Es geht nicht um die Einladungen.“
Er mustert mich so scharf, dass ich rasch den Blick senke. Oh Gott, vielleicht kann er sehen – oder riechen? –, dass ich gerade mit meinen Gedanken bei Jason war. Bei den Erlebnissen von gestern Abend ...
Der kleine, etwas untersetzte Mann im langen schwarzen Gewand geht an mir vorbei zum Fenster und beugt sich vor, um auf die Straße zu sehen.
Stirnrunzelnd drehe ich mich auf meinem Stuhl zu ihm um und versuche zu erahnen, was er von mir will. Er ist nicht annähernd so attraktiv wie Reverend Morris. Seine Haare sind schütter und er hat einen vorwitzigen, graumelierten Ziegenbart am Kinn. Vermutlich, um sein Doppelkinn damit zu verdecken. Seine Nase ist gekrümmt, so dass er im Profil ein wenig wie Gonzo aussieht.
„Kennst du das Auto da unten?“
„Was?“
Irritiert stehe ich auf und gehe zu ihm, um über seine Schulter ebenfalls nach draußen zu sehen. Mein Herzschlag beschleunigt sich, als ich den schwarzen Mercedes sehe, doch ich beschließe, ein wenig Zeit zu schinden. Warum er das wissen will, erschließt sich mir gerade überhaupt nicht. Oder ist mein Privatleben neuerdings von Interesse für meine Vorgesetzten?
„Entschuldigung, welches Auto meinen Sie?“
„Das da.“
Er zeigt mit seinem knochigen Finger auf den Mercedes. Ich beiße mir auf die Lippe und denke fieberhaft nach.
„Nein, nicht, dass ich wüsste. Warum fragen Sie?“
Er atmet tief ein, so tief, dass ich es deutlich hören kann. Unten öffnet sich die hintere Tür, und ich erkenne die schwarzen Haare des Aussteigenden natürlich sofort. Oh Scheiße, wenn Jason raufkommt und nach mir fragt, fliegt meine Lüge sofort auf.
Meine Gedanken drehen sich im Kreis und lassen sich nicht sortieren. Was soll ich jetzt sagen? Warum ist das überhaupt wichtig?
Ich wage kaum, nach unten zu sehen, bin aber zu neugierig, um es nicht zu tun. Als Jason den Kopf in den Nacken legt und eine Sonnenbrille über die Augen klappt, zucke ich hinter Reverend Clawson zusammen, was dieser zum Glück nicht bemerkt.
Stattdessen reagiert Jason, offenbar auf den Anblick des Priesters am Fenster. Jedenfalls stutzt er, schüttelt kaum merklich den Kopf und geht zurück zum Auto, das Sekunden später davon fährt.
Meine Hände sind schweißnass. Was wollte er hier? Mit mir reden? Sich entschuldigen? Nachsehen, ob ich heute im Büro bin?
„Und den jungen Mann, der gerade weggefahren ist, den kennst du auch
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