Gefaehrliche Verstrickung
Adrianne vermeinte beinahe, ein Rauschen zu hören. Vielleicht war es ja auch der Geist der längst verstorbenen Königin. Sie ließ den Lichtkegel ihrer Lampe durch den Raum schweifen, der angefüllt war mit Gold, Silber und Edelsteinen.
»Aladins Schatzkammer«, flüsterte Philip ergriffen. »Der Traum eines jeden Diebes. Mein Gott, und ich dachte, ich hätte schon alles gesehen.«
Goldbarren, zu hüfthohen Pyramiden gestapelt, glänzten neben ebenso hohen Bergen von Silberblöcken. Dahinter türmten sich goldene und silberne Vasen, Teller und Schüsseln, manche davon über und über mit Edelsteinen verziert. Neben einem Diadem aus blutroten Rubinen prangte eine Krone, die nur aus Diamanten zu bestehen schien. Eine Truhe, die Adrianne geöffnet hatte, war mit ungeschliffenen Edelsteinen angefüllt, so hoch, das der Arm eines Mannes bis zu den Ellenbogen darin eintauchen konnte.
Neben Gold- und Edelsteinschätzen fanden sich in dem Raum aber auch unbezahlbare alte Gemälde, wie Rubens, Monets und Picassos. Die Art von Kunstwerken, die Abdu niemals im Palast zur Schau gestellt hätte, in die zu investieren er aber keine Bedenken hatte. Angesichts dieser Gemälde hatte Philip kein Auge mehr für die kostbaren Juwelen. Langsam ließ er den Schein seiner Lampe über die alten Leinwände gleiten und überlegte.
»Der Schatz des Königs.« Dumpf hallte Adriannes Stimme von den düsteren Mauern wider. »Einiges davon mit Ol bezahlt, anderes mit Blut, manches aus Liebe erworben und manches durch Verrat. Mein Gott, und meine Mutter starb mit leeren Händen, lebte nur von dem, was ich für sie stehlen konnte.« Philip richtete sich auf und drehte sich zu ihr um. »Und das Schlimmste dabei ist, dass sie ihn bis' zum Schluß geliebt hat.«
Zärtlich streichelte er mit seinen Daumen über ihre Wangen und wischte ihr dabei die Tränen ab. »Er ist es nicht wert, Addy.«
»Nein.« Mit einem letzten Aufseufzen machte sie sich von ihrem Kummer frei. »Ich werde mir nehmen, was mir gehört.«
Sorgfältig leuchtete sie die gegenüberliegende Wand ab. Als sie Sonne und Mond entdeckt hatte, schien es, als erwache dieser Schatz in eben diesem Augenblick wieder zum Leben.
»Da ist es.«
Ganz langsam ging Adrianne auf das Kollier zu, als werde sie von einem unsichtbaren Magneten angezogen. Jetzt zitterten ihre Hände deutlich, aber nicht aus Angst, nicht vor Kummer. Sie bebten vor Erregung. Das Kollier lag unter einer Glasglocke, doch die konnte das Feuer, das es ausstrahlte, nicht dämpfen. Liebe und Haß. Krieg und Frieden. Versprechen und Verrat. Man brauchte dieses Juwel nur anzusehen, um dessen Freuden und Leiden zu erspüren.
Alle Juwelen besaßen einen persönlichen Charakter, aber kein Schmuckstück der Welt besaß soviel Ausstrahlung wie dieses.
Versonnen ließ Philip nun auch den Strahl seiner Lampe über das Kollier gleiten, wobei sich ihre beiden Lichtkegel überkreuzten und miteinander verschmolzen. »Gütiger Himmel, das übertrifft bei weitem alle meine Vorstellungen. Nichts, was ich mir in meinen kühnsten Fantasien je ausgemalt habe, kann sich damit messen. Es gehört dir.« Er legte seine Hand auf ihre Schulter. »Nimm es.«
Unendlich behutsam holte sie das Kollier unter dem Glassturz bevor. Ohne zu atmen, hielt sie es eine Weile in ihren Händen. Es war schwer. Sein Gewicht überraschte sie, denn irgendwie beschlich sie plötzlich die Vorstellung, das Kollier sei nur eine Illusion und würde jedem, der es für sich beanspruchte, augenblicklich aus den Händen gleiten. Aber es blieb schwer in den ihren liegen, schien zu leben und die geheimsten Hoffnungen endlich wahr werden zu lassen. Im Schein der Lampe glaubte sie beinahe, das Blut zu sehen, das vor so vielen Jahren über diese Steine geflossen war.
»Es scheint, als sei es nur für deine Mutter gemacht worden.«
»Vielleicht war es so.«
Sie lächelte, denn sie merkte, dass er sie verstand. »Ich habe mich immer gefragt, was ich in diesem Augenblick wohl empfinden würde.«
»Und?«
Sie drehte sich zu ihm um, das Kollier wie eine Opfergabe vor sich haltend. »Wenn ich jetzt in mich hineinhöre, so höre ich sie lachen. Es tut mir unendlich leid, dass ich ihr dieses Schmuckstück nicht zurückgeben kann.«
»Du tust doch viel mehr als das.« Er dachte an das Rattenloch in Manhattan, aus dem Adrianne ein Hospiz machen wollte.
»Sie wäre sehr stolz auf dich, Addy.«
Nachdenklich nickend holte sie das eingerollte Samttuch aus ihrer Tasche und legte
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