Gefaehrliche Verstrickung
sein, dann ihr Glas nach.
»Nein, ich hab's nicht vergessen. Es bleibt bei morgen. Nichts Besonderes, ich bin sicher, du wirst wundervoll aussehen. Aber nein, ich bin nicht ärgerlich. Auf dem Weg zum Abendessen.« Er streifte Adrianne mit einem Blick. »Ja, mache ich. Nein, brauchst du nicht. Mama...« Wieder ein unterdrückter Seufzer.
»Ich glaube wirklich nicht, dass ... Ja, natürlich.« Er legte den Hörer auf sein Knie. »Meine Mutter. Sie möchte Ihnen gerne guten Tag sagen.«
»Oh.« Verwirrt starrte Adrianne auf den Apparat.
»Sie ist ganz harmlos.«
Adrianne kam sich ein wenig albern vor, als sie zum Hörer griff. »Hallo.«
»Hallo, meine Liebe. Ein toller Wagen, nicht wahr?«
Diese Stimme hatte nichts von Philips Sanftheit, und der Akzent ging stark in Richtung Cockney. Automatisch ließ Adrianne einen Blick durch den Rolls schweifen und lächelte. »Ja, das stimmt.«
»Ich fühl' mich darin immer wie eine Königin. Wie heißen Sie, Liebes?«
»Adrianne, Adrianne Spring.« Sie merkte gar nicht, dass sie ihren Titel weggelassen und statt dessen den Mädchennamen ihrer Mutter benutzt hatte, wie sie es Freunden gegenüber häufig tat. Philip war es jedoch nicht entgangen.
»Ein hübscher Name. Sie werden einen schönen Abend haben. Er ist ein guter Junge, mein Phil. Und sieht auch noch blendend aus, hab' ich recht?«
Heiterkeit blitzte in Adriannes Augen auf, und sie lächelte
Philip offen an. Es war das erste Mal, dass sie ihm gegenüber ihr warmherziges Wesen zeigte. »Das tut er, wirklich.«
»Lassen Sie sich nicht zu rasch von ihm betören, Liebes. Er kann ein verdammter Schlingel sein.«
»Tatsächlich?« Adrianne musterte Philip über ihr Champagnerglas hinweg. »Ich werde es mir zu Herzen nehmen. Hat mich gefreut, mit Ihnen zu plaudern, Mrs. Chamberlain.«
»Nennen Sie mich einfach Mary. Kommen Sie doch mal mit Phil zum Tee, auf einen netten Plausch.«
»Ja, gerne. Gute Nacht.« Immer noch grinsend gab sie Philip den Hörer zurück.
»Wir sehen uns morgen, Mama. Nein, sie ist nicht hübsch. Sie schielt, hat ein Doppelkinn und Warzen im Gesicht. Also, schau weiter Fernsehen. Ich liebe dich auch.« Er legte auf und nahm erst einmal einen großen Schluck. » Verzeihung .«
»Aber warum denn?« Der Anruf hatte ihre Gefühle für ihn verändert. Es würde nicht leicht sein, einem Mann die kalte Schulter zu zeigen, der seiner Mutter soviel Liebe und Zuneigung entgegenbrachte. »Sie klingt reizend.«
»Ist sie auch. Sie ist meine große Liebe.«
Einen Augenblick lang schwieg Adrianne nachdenklich. »Das glaube ich Ihnen.«
»Es ist so.«
»Und Ihr Vater? Ist er auch so nett?«
»Das weiß ich nicht.«
Wenn sie ihn richtig verstanden hatte, wollte er nicht weiter über dieses Thema sprechen. »Warum haben Sie ihr gesagt, dass ich schiele?«
Lachend nahm er ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Zu Ihrem eigenen Besten, Adrianne.« Sein Blick hielt den ihren gefangen, während seine Lippen ganz sachte ihren Handrücken berührten. »Sie wünscht sich sehnsüchtig eine Schwiegertochter.«
»Aha, verstehe.«
»Und Enkelkinder.«
»Verstehe«, wiederholte sie und entzog ihm ihre Hand.
Der Gasthof war tatsächlich der, den sie für Madeline ausgesucht hatte, weil er ein ruhiges, abgelegenes, aber schrecklich romantisches Lokal war. Der Geschäftsführer, mit dem sie nachmittags gesprochen hatte, begrüßte sie mit einer Verbeugung und ohne die geringsten Anzeichen des Erkennens.
In der Gaststube gab es einen offenen Kamin, der so groß war, dass man darin einen ganzen Ochsen braten konnte, und in dem jetzt hinter einer messinggefaßten Glasscheibe dicke Holzscheite glühten und dabei einen tiefen Summton verbreiteten. Kleine, vielfach unterteilte Fenster hielten die Herbstböen ab, die von der Küste herüberwehten. Die wuchtigen viktorianischen Möbel, die Anrichten, in denen das Silber und Kristall nur so funkelte, gaben dem großen Raum eine gemütliche Atmosphäre.
Sie hatten die Spezialität des Hauses gewählt, Beef Wellington, das sie nun im Schein flackernder Kerzen, die in schweren Zinnhaltern steckten, genossen; dabei wurden sie von einem alten Mann auf der Geige musikalisch begleitet.
Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich in Philips Gesellschaft so entspannen, mit ihm lachen und bei einem Glas Brandy seinen Geschichten lauschen könnte. Sie sprachen über alte Filme, für die sie beide schwärmten, wobei er geschickt das Thema Phoebe und ihre Tragödie umging.
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