Gefaehrliche Versuchung
eingeladen habe«, sagte Harry schließlich, »hätte ich nicht damit gerechnet, dass du so schnell erscheinen würdest.«
Es gelang ihr, den Kopf zu schütteln. »Ich … äh …«
Endlich bemerkte sie, wie sündhaft sein Lächeln war, als er langsam den Arm sinken ließ. Sie sah, dass er sich nicht abgetrocknet hatte. In ihr wuchs der Wunsch, ein Handtuch zu nehmen und das für ihn zu erledigen. Sie hörte, wie er leise aufkeuchte. Oder war sie das selbst?
Als würde er sich unter Wasser bewegen, nahm Harry sich langsam ein Handtuch und trocknete sich ab. »Es tut mir leid, Kate. Was brauchst du?«
Sie räusperte sich. Allerdings musste sie die Hände falten, um sie nicht unwillkürlich nach ihm auszustrecken. »Es tut mir leid. Ich hätte … äh …«
»Du hast geklopft.«
»Ich hätte warten sollen.«
Sie hätte schwören können, dass ihre Haut kribbelte. Sie konnte ihren Pulsschlag hören, und ihre Brüste schienen sich gegen die glatte Seide ihres Morgenmantels zu drängen. Plötzlich war sie allen Sinneseindrücken gegenüber viel empfindlicher und verspürte den unerklärlichen Drang, sich wie eine Katze, die gern gestreichelt werden wollte, an Harrys Brust zu schmiegen. Und das machte ihr fürchterliche Angst.
»Kate?«
»Hm?«
»Ich muss heute Abend nach Horse Guards. Und«, sagte er, packte sich ein Hemd und zog es sich über den Kopf, »ich kann erst los, wenn ich angezogen bin. Kann deine Angelegenheit noch warten?«
Der Rausch flaute ab, als ihr durch den Kopf schoss, dass sie das Gespräch vielleicht tatsächlich verschieben sollten. Eigentlich sollten sie überhaupt nicht darüber reden, damit er nie mehr einen Grund hatte, sie mitleidig anzusehen.
Doch sie würde es sich nicht verzeihen, wenn sie sich ihrer Feigheit ergab. »Nein«, sagte sie und straffte die Schultern, »ich glaube nicht, dass es warten kann.«
Es war so leicht gewesen, Drake ihre Vermutungen mitzuteilen. Vielleicht sollte sie Harry einfach eine Nachricht schicken. Bitte erst in Horse Guards lesen. Oder in Neapel. Mit gesenktem Blick trat sie in sein Schlafzimmer und ließ sich in einen der cremefarbenen Sessel sinken, die beim knisternden Kaminfeuer standen. Vollkommen verwirrt folgte Harry ihr.
Sie hielt den Blick starr auf die Federn gerichtet, die um ihre Handgelenke wehten. »Drake hat mich gebeten, mit dir über die Nachricht zu sprechen, die ich ihm gestern Nacht durch Mudge habe überbringen lassen.«
Harry sah zur Tür. »Mudge hat nichts gesagt.«
»Ich glaube, Marcus hat ihn um Stillschweigen gebeten.« Sie holte tief Luft, um sich zu sammeln. »In der Anstalt …ist etwas passiert. Ich habe jemanden gehört. Eine Frau, die, glaube ich, das Zimmer neben mir hatte. Dort habe ich sie jedenfalls gehört, soweit ich mich erinnere.«
»Weißt du, wer sie war?«
Sie brachte ein kleines Lächeln zustande. »Nun, das ist das Problem. Ich glaube, ich habe Lady Pamela Riordan in der Anstalt gehört. Aber Lady Riordan ist seit sechs Monaten tot. Im Meer ertrunken.«
Eine ganze Weile rührte Harry sich nicht. Er schien die Gemälde von Stubbs über dem Kaminsims zu betrachten. »Du bist dir sicher.«
»Nein. Wie sollte ich? Ich kenne allerdings ihre Stimme. Wir haben zusammen in einigen Ausschüssen gesessen, und ich schwöre, dass es ihre Stimme war. Sie hat immer wieder gesagt, dass sie Lady Riordan sei und dass sie in dem Zimmer eingesperrt sei, damit niemand sie finden könne. Und dass sie nicht habe dahinterkommen sollen.« Kate schluckte. Sie hasste die Erinnerung an die traurige, leise Stimme.
»Hat sie auch gesagt, wer sie in die Anstalt gebracht hat?«
Kate sah auf und wappnete sich gegen den Ausdruck in Harrys Augen, der ihr sagte, dass er sie wirklich für verrückt hielt. »Ihr Ehemann. Er ist ein Löwe.«
»Hat sie das behauptet?«
Kate zuckte mit den Schultern. »Sie hat Richard – so heißt ihr Ehemann – immer wieder versprochen, dass sie kein Wort über die Löwen verraten würde, wenn er ihr die Kinder überlassen würde.«
Harry schwieg so lange, dass Kate fast das letzte Fünkchen Sicherheit verlor, das sie noch in sich trug. Plötzlich fühlte sie sich von der Furcht erstickt. Würden sie die Anstalt durchsuchen, wie es ihre Bitte gewesen war, und nichts außer ihren eigenen Gespenstern finden? Wäre dann Harry an der Reihe, sie in einem Raum einzusperren?
»Meinst du, sie ist die einzige Ehefrau, die weggesperrt worden ist?«, fragte Harry schließlich. Die Frage überraschte
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