Gefaehrliche Versuchung
wollte. Sie hasste die vergeudete Energie, wenn man sich etwas erhoffte.
»Bitte«, flehte sie, und ihr Lächeln wirkte steif, »ärgere mich nicht.«
Harry sah sie bestürzt an. »Dich ärgern? Gott, denkst du, dass ich das tue?«
»Was denn sonst?«
Er schien so erstaunt zu sein, dass sie weinen wollte. »Was denn sonst?«, wiederholte er. »Ganz einfach. Ich möchte meine Katie endlich lieben.«
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, schüttelte sie schon den Kopf. »Ich habe es dir gesagt, Harry. Ich bin nicht mehr das Mädchen von früher. Von dem Mädchen ist nichts mehr übrig.«
Er antwortete nicht sofort. In immer enger werdenden Kreisen tanzte er mit ihr übers Parkett, als wäre außer ihnen niemand mehr auf der Tanzfläche. »Du bist zu stark, um dir von ihm die Leidenschaft nehmen zu lassen, Kate.«
Abrupt sah sie auf und bemerkte die Herausforderung in seinen Augen. In dem Moment verklang die Musik, und sie blieben stehen. Einander zugewandt, standen sie mitten im Ballsaal. Kates Herz hämmerte in ihrer Brust, und ihre Knie wurden weich. Sie hatte Angst, dass Harry nur versuchte, sich abzulenken.
»Bin ich nur ein Projekt, Harry?«, forderte sie ihn heraus und hatte Angst, dass er den Rückzieher erkennen würde. »Wie die Witwenkasse?«
Er legte den Kopf schräg. »Wenn du möchtest? Wärst du denn gern mein Projekt?«
Sie straffte die Schultern. »Ich bin niemandes gutes Werk.«
»Wärst du dann lieber meine Sucht?«
Die Worte blieben hängen. »Ich denke, das könnte unangenehm werden.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht sicher, ob einer von uns die Wahl hat.«
Es mochte nur eine Ablenkung für ihn sein, um sich keine Sorgen um seinen Freund zu machen. Aber als sie nach Hause kamen und Harry Bivens fortschickte, damit er selbst die Zofe spielen konnte, gelang es Kate nicht, zu widersprechen. War es Angst oder Erregung, die ihr den Atem geraubt hatte? Vertraute sie Harry genug, um sich ihm wieder zu öffnen? Sie blickte zum Bett mit dem bunten Überwurf aus Chintz und erschauderte.
»Du siehst zum Bett, als wäre es ein heidnischer Altar und du das tägliche Opfer«, sagte Harry mit einem leichten Lächeln. Er hatte sich das Jackett ausgezogen. Gerade knöpfte er seine Weste auf, als wäre er es gewohnt, das in ihrer Gegenwart zu tun.
Kates Lachen klang schrill. »Das trifft es ungefähr, wie ich mich fühle.«
Harry hielt inne, die Finger noch immer an den Knöpfen. »Dann sag mir, was du willst.«
Sie wollte ihn anflehen, sofort zu gehen, als sie aufsah und seine Augen erblickte. Der Ausdruck darin war nackt, verzweifelt. Ein Verlangen, das sie nur zu gut verstand. Er brauchte es, dass sie ihn brauchte. Harry, der Jahre mit der Planung verbracht hatte, irgendwann zu fliehen, wünschte sich nichts mehr, als dass Kate in seinen Armen Trost, Sicherheit, Verbundenheit suchte.
Instinktiv scheute sie zurück. Sie hatte keine guten Erfahrungen damit gemacht, anderen Menschen zu vertrauen, ihre Einsamkeit anderen preiszugeben und zu hoffen, dass sich etwas ändern würde. Die Vorstellung, es wieder zu versuchen, machte ihr Angst. Immerhin ging es ihr ja gut. Harry ging es auch gut. Wozu sollten sie sich aufeinander verlassen? Was würde sich dann ändern?
Alles. Und genau das machte ihr die größte Angst.
Sie könnte sich zurückziehen. Er ließ ihr die Möglichkeit. Sie könnte alles mit einem Lächeln abtun und flüchten. Doch sie erkannte, dass Ians Tod ihn noch immer belastete. Sie glaubte beinahe, die leidenschaftlichen Worte, die Harry zur Verteidigung seines Freundes vorgebracht hatte, zu hören. Ihm muss bewusst gewesen sein, wie sinnlos es war, wie fürchterlich, wenn man gezwungen wurde, eine Freundschaft, die in der Hitze des Gefechts geschmiedet worden war, vor Männern zu verteidigen, die weder das Geräusch von Kanonenschüssen noch den grauenvollen Schrecken eines Angriffs kannten. Wie musste es sich angefühlt haben, der Einzige zu sein, der trotz aller Beweise an einen Menschen glaubte? Was blieb ihm noch, wenn niemand ihm glaubte?
Er brauchte sie.
Sie hoffte, sie hatte die Stärke für das, was Harry sich wünschte. Und sie hoffte, sie würde den unvermeidlichen Schmerz überleben.
»Meine Brüste?«, fragte sie. Ihre Stimme klang dünn. »Nur die?«
Sie bemerkte, wie er erschauerte, und fühlte sich furchtbar, weil sie ihn so quälte.
»Nur die.«
Sie breitete die Arme aus, und er trat zu ihr. »Na ja«, fuhr er fort und drückte seinen Kopf an
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