Gefaehrliche Versuchung
sie ihn erblickte. Grace hatte gemeint, sie würde ihn immer lieber in seiner Grenadiersuniform sehen, dass ihm die bürgerliche Uniform allerdings auch gut stehen würde. Kate konnte ihr nur zustimmen. Sie wünschte sich lediglich, die Schatten würden aus seinem Blick weichen.
»Ach Kate, die Ehe bekommt Ihnen offensichtlich gut«, begrüßte Lady Hampton sie und breitete die Arme aus. »Sie strahlen richtig.«
Kate lachte leise und ergriff die Hände der Countess. »Sie übertreiben, Clare. Das liegt nur an dem pfirsichfarbenen Kleid. In der Farbe sehe ich immer gesund und rosig aus.«
An diesem Abend fühlte sie sich wohl. Was für eine Offenbarung. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so gut gefühlt zu haben, und das verunsicherte sie.
Das Kleid hätte eigentlich keinen so großen Unterschied machen sollen. Für gewöhnlich bedeuteten neue Kleider nicht mehr für sie als ein bisschen Provokation. Aber in diesem neuen Kleid fühlte sie sich zart und jung. Eine feine, weiche Seidentunika über einem eierschalenfarbenen Unterkleid. Es wirkte trügerisch schlicht, verziert nur mit Kristallsteinen am tief ausgeschnittenen Korsett. Ein Kopfschmuck mit Perlen und Reiherfedern im Haar, ein Collier und passende Ohrringe aus Diamanten vervollständigten ihr Äußeres.
»Und das ist Ihr neuer Ehemann?«, fragte Clare.
Kate drehte sich zu Harry um. »Clare, darf ich Ihnen Major Sir Harry Lidge vorstellen? Harry, das hier ist eine Freundin von dem Projekt der Soldatenwitwen, Lady Clare Hampton.«
Clare, eine blonde stämmige Frau, die sich sechs Kinder und drei Ehen anrechnen lassen konnte, neigte den Kopf und lächelte. »Ich hoffe, Sie können mit ihr mithalten, Sir.«
»Ich bezweifle, dass irgendjemand mit ihr mithalten kann, Lady Hampton«, erwiderte Harry mit einem einnehmenden Lächeln, während er sich zum Handkuss über ihre plumpe Hand beugte. »Ich habe vor, mich gut festzuhalten.«
Nur Kate konnte den Schmerz erkennen, der noch immer in Harrys Augen lag. Er hatte die Wahrheit über Ian noch nicht herausgefunden.
Die Musik hatte zu spielen begonnen, als sie den Ballsaal erreichten. Es war ein riesiger Raum, der sich im hinteren Teil des Anwesens der Hamptons über die gesamte Breite des Hauses erstreckte. Die Musik hallte in dem gewaltigen Raum wider. Alles war in Weiß und Gold geschmückt worden. Harry ließ sich von Grace und Bea einen Tanz versprechen, ehe er sie zu ihren Plätzen führte. Kate beobachtete, wie General Willoughby mit wehendem Backenbart zu Bea ging, und wusste, dass ihre Freundin sich gut unterhalten würde. Sie wandte sich wieder Harry zu und sah, dass eine Reihe von ihren treu ergebenen Anhängern sich schon unter den großen Kronleuchtern aufgestellt hatte.
»Nicht heute Abend, meine Herren«, sagte Harry, bevor Kate ihre Tanzkarte herumreichen konnte. Er nahm sie ihr aus der Hand und riss sie vor aller Augen entzwei. »Morgen oder übermorgen Abend können Sie es wieder versuchen. Doch bei unserem ersten gemeinsamen Ball beanspruche ich das Vorrecht des Ehemannes.«
Einer von Kates treuesten Verehrern, ein sehr junger Mann namens Tommy, funkelte Harry durch ein reich verziertes Monokel an, das zu den silbernen Stickereien auf seinem blauen Samtrock passte. »Es ist nicht gerade erstrebenswert, seiner Ehefrau derart hörig zu sein, alter Mann.«
Harry warf dem Jungen ein gefährliches Lächeln zu. »Ohne Zweifel ist das etwas, das all diejenigen besser beurteilen können, die nicht ihr halbes Leben auf dem Schlachtfeld verbracht haben.«
Kate wäre beinahe in Lachen ausgebrochen, als sie sah, wie der Junge Harry anglotzte. »Tommy«, beruhigte sie ihn und legte ihre Hand auf seinen Brokatärmel, »lass ihm seinen Willen. Er wird wahrscheinlich in einer Stunde oder so die Geduld verlieren und sich ins Kartenspielzimmer zurückziehen.«
Ehe Tommy etwas erwidern konnte, zog Harry Kate mit sich auf die Tanzfläche, um einen Walzer zu tanzen. Sie musste zugeben, dass sie überrascht war. Harry wusste wirklich, wie man tanzte. Besser noch: Sie hatte das Gefühl, sich in seinen Armen entspannen zu können. Jeder andere Mann hätte mit ihr die Klingen gekreuzt, hätte versucht, sie zu verführen oder zumindest herauszufinden, von wem sie verführt wurde. Oder er hätte – wie Tommy – an dem beliebten Zeitvertreib teilgenommen, einer verrufenen Frau begeistert das Herz zu Füßen zu legen.
Harry tanzte mit ihr zu jedem Musikstück. Wenn sie eine Pause machten,
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