Gefaehrliche Versuchung
in Kauf nehmen – erst recht nach seinem Verhalten, seit sie hier eingesperrt war. Doch nach allem, was sie durchgemacht hatte, wollte sie nie wieder die Rolle eines Opfers übernehmen. Auch nicht für die Genugtuung, Harry stürzen zu sehen. Sie konnte nicht zulassen, dass er ihr wehtat.
Sie würde Barbara erlauben, sie zu durchsuchen. Aus irgendeinem Grund vertraute sie dem wissenden Lächeln und der ruhigen Stärke dieser Frau. Und wenn Kate richtig verstanden hatte, bekam sie nach der Durchsuchung ihr Gepäck zurück. Das Reisegeld, das in dem doppelten Boden des Schrankkoffers versteckt war, würde ihr weiterhelfen.
Und als der Riegel zurückgezogen und die Tür geöffnet wurde, wartete Kate geduldig auf ihrem Stuhl, als würde sie Gäste in ihrem Salon empfangen.
Barbara lächelte, als sie eintrat. Ihre Miene wirkte entschuldigend. »Es tut mir leid, Sie stören zu müssen … Lady Kate«, sagte sie, und ihr Akzent war stärker als zuvor.
»Barbara, da sind Sie ja«, entgegnete Kate und erhob sich. »Wenn Sie mir mein Gepäck bringen und die Tür schließen, können wir es hinter uns bringen.«
Offenbar überraschte sie die Frau mit ihren Worten, denn einen Moment lang starrte Barbara sie nur wortlos an, die Hände vor dem Bauch verschränkt.
»Und besorgen Sie bitte einen Paravent.«
Schroeder runzelte die Stirn. »Aber, Lady Kate …«
Kate zog eine Augenbraue hoch. »Das sind meine Bedingungen, Barbara. Würden Sie es vorziehen, eine Duchess zu Boden zu ringen, um ihre Brüste zu sehen?«
Zumindest hatte Schroeder den Anstand, betreten zu blicken. »Ich bin angewiesen worden … Sie komplett auszuziehen … Lady Kate. Nur für den Fall, dass Sie darunter etwas verstecken.«
Kate sah an ihrem Kleid hinunter. »Wo? Glauben Sie, ich hätte mir den Vers quer über den Bauch tätowieren lassen?«
Schroeder rührte sich noch immer nicht. Sie stand vor Kate und wirkte unerbittlich. Doch da sie die Gruppe von Bediensteten anführte, die Diccan um sich versammelt hatte, um Informationen zu besorgen, hoffte Kate, dass die Frau professionell genug war, um die Vorteile des Kompromisses zu erkennen.
»Bitte, Barbara«, drängte Kate sie. »Ich würde es lieber hinter mich bringen, ehe Harry wieder ins Zimmer gestürmt kommt.«
Offensichtlich gab Barbara Kate in dem Punkt recht, denn nach einem winzigen Zögern machte sie einen knappen Knicks, lächelte und wandte sich zur Tür um.
Minuten später hatte Kate sich umgezogen, und ihr Reisekleid war weg, um durchsucht zu werden. »Sind Sie jetzt zufrieden?«, fragte sie, während sie ihr Haar wieder zu einem Zopf flocht.
»Ich war nicht …« Barbara unterbrach sich und schüttelte den Kopf, als würde sie resignieren. »Ja, Lady Kate«, sagte sie stattdessen mit einem kurzen Nicken. »Danke. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Ach.« Kate nickte. »Die Zusammenarbeit wird belohnt? Ja, wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich gern eine Tasse Tee. Ich glaube, ich bin schon halb verhungert.«
Wieder ließ Barbara sich für einen winzigen Moment die Überraschung anmerken. Wahrscheinlich, weil sie erwartet hätte, dass Kate ihren Krieg weiterführen würde. Denn falls sie nichts finden würden, würde Kate laut Harry nicht nach Hause reisen dürfen. Was allerdings weder Harry noch Barbara ahnten, war, dass Kate sehr wohl nach Hause fahren würde. Also sollte sie sich für die Reise stärken.
»Ja, Lady Kate.« Mit einem letzten Knicks ging Schroeder hinaus.
Allein im Zimmer, verlor Kate keine Zeit, ihren Koffer zu öffnen und den Inhalt herauszunehmen. Ihr Geld war im doppelten Boden versteckt. Niemand musste davon wissen. Oder davon, dass es in fünf Minuten unter der losen Holzdiele neben ihren Kerzen versteckt sein würde. Zum ersten Mal, seit sie entführt worden war, verspürte Kate einen Funken Hoffnung.
Nichts. Nicht einmal ein Fetzen eines Stückchens Papier. Harry durchsuchte Kates Kleidung so gründlich und sorgfältig, als wäre es ein Schlachtplan. Mit den Fingern strich er über jeden Zentimeter ihrer Kleidung – vom hellgelben Stoff ihres Kutschenkleides über die Seide ihrer Strümpfe bis hin zum Batiststoff ihres Unterkleides. Mudge bot seine Hilfe an, aber Harry knurrte ihn nur an, und der Junge zog sich zurück. Falls es einen Hinweis auf ein Verbrechen gab, wollte er derjenige sein, der ihn fand. Er wollte derjenige sein, der Kate darauf ansprach, es ihr direkt ins Gesicht sagte, sodass sie es dieses Mal nicht abstreiten konnte. Es hatte
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