Gefaehrliche Versuchung
Vergnügen. Lass dich von Harry nicht einschüchtern, mein Lieber. Bellende Hunde beißen nicht.«
Der Junge berührte ihre Finger und warf ihr ein strahlendes Lächeln zu. Dann ergriff er die Flucht.
Harry wartete, bis Mudge außer Sicht war, ehe er ins Zimmer trat. »Ich fürchte, deine Bemühungen sind bei ihm vergebens«, sagte er und lehnte sich betont unbekümmert an den Türpfosten. »Er ist nicht dein Typ.«
»Nicht mein Typ?«, erwiderte Kate mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du glaubst wirklich, dass es einen Mann geben könnte, der nicht mein Typ ist? Ich scheine nachzulassen.«
»Er ist Soldat in der Armee des Königs und wäre nicht gut bedient, wenn die anderen hören würden, dass er ›mein Lieber‹ genannt wird.«
Kate schlenderte zu dem verbarrikadierten Fenster, als könnte sie hinausblicken. »Wie, um alles in der Welt, ist Mudge in die Armee gekommen?«
»Es gab nur die Wahl zwischen der Armee oder Botany Bay. Er wurde beim Brotdiebstahl erwischt.«
Kate wünschte, sie hätte sagen können, sie wäre überrascht. »Ach«, sagte sie, drehte sich zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an, »du hast ihn unter deine Fittiche genommen, nicht wahr? Aus reiner Nächstenliebe? Ich bin mir nicht sicher, ob das zu dir passt.«
»Ich spare mir die Nächstenliebe für Menschen auf, die es verdient haben. Mudge hat keine Ahnung, wie man lügt.«
»Und ich bin so gut darin, dass du keinen Grund siehst, mich zu beschützen.«
»Ich habe nie gesagt, dass du einen Mangel an Verstand hättest, Kate.« Er straffte die Schulter und warf ihr ein kühles Lächeln zu. »Es ist fast Mittag. Wirst du nun kooperieren, oder wird das alles hier noch schwieriger?«
»Ach …« Kate tat so, als würde sie über seine Frage nachdenken. »Es wird schwierig, denke ich.«
Er starrte sie an und rang offensichtlich um Selbstbeherrschung. Sie hielt den Atem an und wusste nicht, was sie von ihm erwartete. Sie wollte gegen ihn kämpfen, wollte ihn für die Beleidigungen, die er ausgestoßen, die Unterstellungen, die er geäußert hatte, bestrafen. Sie wollte an ihm vorbeirennen und fliehen.
Er schüttelte den Kopf. »Dränge mich nicht, Kate. Ich habe keine gute Laune.«
Sie lächelte. »Grundgütiger. Wenn deine Lieblingsfeindin zu entführen deine Laune nicht hebt, Harry, fürchte ich, dass du dein Talent fürs Glücklichsein eingebüßt hast. Wahrscheinlich ist es dann gar nicht so schlecht, dass deine beiden Verlobungen in die Brüche gegangen sind, meinst du nicht auch? Denk doch nur daran, wie ihr Leben ausgesehen hätte. Vor allem … Lady Poppy hieß sie, oder?«
In dem Moment, als sie die Worte ausgesprochen hatte, bereute sie sie schon wieder. Sie sah, wie er die Lippen aufeinanderpresste, und wappnete sich für den Angriff.
»Du hörst einfach nicht auf, oder?«, knurrte er.
Ein Angstschauer rann ihr über den Rücken, ein erwartungsvoller Schauer, als er zu ihr trat.
»Willst du das?«, wollte er wissen. »Soll ich die Kontrolle verlieren?«
War es das? Seine Augen, diese weichen himmelblauen Augen, hatten die Farbe einer heißen Flamme. Er schien den Raum auszufüllen. Sie bot ihm tapfer die Stirn. Jeanne d’Arc. Boudicca. Obwohl sie nicht glaubte, dass diese mutigen Frauen sich gegen das Verlangen hatten wehren müssen.
Er stand so nah bei ihr, dass sie seinen Atem an ihrer Wange spüren konnte. »Du willst, dass ich dir glaube?«, fragte er. »Ist das die Vorliebe, die du dir im Laufe der Jahre angeeignet hast? Möchtest du, dass ich dich beherrsche? Soll ich dich vielleicht fesseln oder meine Reitgerte rausholen? Ich weiß, dass einige Frauen den Schmerz der Gerte auf ihren süßen kleinen Hintern mögen. Wie ist das bei dir, Kate? Wartest du darauf?«
Plötzlich schien es in dem Zimmer eiskalt zu werden, und Kate hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ihre Haut kribbelte. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, und ihr war schwindelig und kalt. »Danke, Harry«, brachte sie hervor und rührte sich nicht, »du bestätigst nur noch mal, dass ich froh sein kann, nicht mit dir durchgebrannt zu sein.«
Harry wich zurück, als hätte sie ihn geschlagen. »Erst jetzt?«, erwiderte er. »Zur Hölle, Kate, ich war schon an dem Tag froh, als ich gegangen bin.«
Er ging hinaus und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Kate ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen. Die einzige winzige Genugtuung war, dass Harrys Hand gezittert hatte, als er auf seinem Weg nach draußen
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