Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit

Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit

Titel: Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
Vom Netzwerk:
sich der Mann nicht im letzten Moment noch bewegen würde und er stattdessen Grace treffen würde.
    „ Wirf sie weg! “
    Drake öffnete die Hand und ließ die SIG auf den Boden fallen.

2
    Feinstein Art Gallery
    17. November
    „Dein geheimer Bewunderer wird es lieben“, sagte Harold Feinstein zu Grace. Er hielt ein Pastellbild hoch, an dem sie einen ganzen Tag lang gearbeitet hatte. Sie hatte nichts gegessen, nichts getrunken, hatte die Arbeit nur kurz unterbrochen, um das Bad aufzusuchen. Sie hatte fieberhaft gearbeitet, um jeden noch so dürftigen Strahl der Wintersonne auszunutzen, der durch ihr Oberlicht drang.
    Als sie aufgewacht und zum Fenster gegangen war, um die Jalousien hochzuziehen, hatte sie das Bild vor sich gesehen. Eine Seemöwe, die sich vom Ozean in den Betondschungel Manhattans verirrt hatte. Ihre Federn stachen in makellosem Weiß gegen die verrußte Großstadtluft ab. Die Flügel weit ausgebreitet, ließ sie sich von der Thermik an dem Backsteinbau aus dem neunzehnten Jahrhundert auf der anderen Straßenseite emportragen.
    Das Gebäude gegenüber von ihrem Apartment war alt, abgenutzt und verbraucht. Es war zum Abriss vorgesehen, und so sah es auch aus: zugenagelte Fensteröffnungen, zerbrochene Haustür … Die Hülle eines Hauses, in dem niemand mehr lebte und das niemand mehr liebte. Ein Kunstwerk, das im Sterben lag.
    Im Gegensatz dazu hatte der Vogel Freiheit, Frische und Leichtigkeit verkörpert und die Fähigkeit, einfach abzuheben und die Probleme auf der Erde zurückzulassen. Sie hatte ganz verzaubert einige Minuten lang dem Vogel zugesehen, der seinen Flug genoss, am Himmel über der Straße kreiste – Leichtigkeit und Anmut. Ganz und gar unmenschlich, symbolisierte er das Beste des menschlichen Wesens.
    Wie hart sie daran gearbeitet hatte, diesen magischen Moment vollkommener Freiheit einzufangen.
    Harold legte das Bild andächtig auf den großen Glastisch im Zentrum der Galerie, gleich neben die Aquarelle, die sie mitgebracht hatte, und richtete ihre Arbeiten aus wie leuchtend bunte Soldaten. Es war ein Ritual, dem sie nun schon über ein Jahr lang folgten, seit sie mit einem Portfolio unter dem Arm und ganzen einhundertfünfzig Dollar auf der Bank in seine Galerie marschiert war.
    Harold berührte den Rand des Papiers mit seinem Zeigefinger, um gleich darauf zu einem Aquarell überzugehen, das einen Erpel inmitten des Schnees der vergangenen Woche im Central Park zeigte.
    „Er wird sie lieben“, murmelte Harold. „Und ich werde es lieben, sie ihm zu verkaufen.“ Seine Augen funkelten hinter den dicken Gläsern. „Ich habe vor, deine Preise erneut heraufzusetzen. Er wird sich nicht beschweren. Nicht, wenn er dies hier sieht.“
    Grace bemühte sich, nicht zu lächeln. „Harold, du weißt doch gar nicht, ob es ein Er ist, genauso wenig wie ich. Der Mann, der im Auftrag dieser anderen Person meine Arbeiten kauft, ist ein Anwalt, um Himmels willen. Sein Klient könnte jeder sein – Mann, Frau oder von mir aus auch ein Marsmensch.“
    Was spielte das für eine Rolle? Wer auch immer der Klient dieses Anwalts war, er oder sie kaufte Grace’ gesamte Produktion und zuckte nicht einmal mit der Wimper, wenn Harold immer wieder die Preise heraufsetzte. Nach Jahren des harten Kampfes, in denen sie versucht hatte, den Durchbruch als Künstlerin zu schaffen, konnte sie endlich von ihrer Hände Arbeit leben, und mehr noch – Geld auf die hohe Kante legen. Echtes Geld, zu ihrem Erstaunen. Nachdem sie so lange wie eine arme Studentin gelebt hatte, konnte sie es immer noch nicht fassen, wenn sie ihre Kontoauszüge betrachtete.
    Wer auch immer ihre Arbeiten kaufte, hatte ihr ganzes Leben verändert. Es machte ihr noch nicht einmal wirklich etwas aus, dass derjenige, der ihr gesamtes Werk an sich raffte, es nirgendwo zeigte. Harold hatte ihr gesagt, dass jeder, der so viel Geld ausgab und einen so großen Teil der Arbeiten eines einzelnen Künstlers besaß, für gewöhnlich eine größere Ausstellung plante und seine Sammlung auf jeden Fall der Öffentlichkeit würde präsentieren wollen, allein schon, um seine Investition zu rechtfertigen. Aber ihr unbekannter Kunde hielt ihre Arbeiten fest unter Verschluss. Offensichtlich im Ausland.
    Grace kümmerte das nicht. Sie hatte nicht vor, berühmt zu werden. Sie war Künstlerin, weil sie nichts anderes hätte sein können, nicht wenn sie bei Verstand bleiben wollte. Ihre Bilanz bei diversen Aushilfsjobs war mehr als lausig. Sie war schon

Weitere Kostenlose Bücher