Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
sie, wehrte sich mit Händen und Füßen, um zu Harold zu gelangen, aber da er sie festhielt, als ob sie eine alberne Puppe wäre, kam nichts als ein leises Wimmern über ihre Lippen.
Ein eiskalter Kreis aus Metall bohrte sich in ihre Schläfe. Sie wandte die Augen nach rechts, um zu begreifen, was das war.
Eine Waffe. Eine riesige, grauenhafte schwarze Waffe wurde ihr an den Kopf gehalten.
„Hör auf“, sagte der Mann einfach. Seine Stimme war tief, guttural, unmenschlich, der Ton befehlsgewohnt. Es gab nichts, was Grace tun konnte. Noch dreißig Sekunden, und der Mangel an Sauerstoff würde sie ohnmächtig werden lassen.
Widerstand war nicht nur zwecklos, sondern ihre einzige Hoffnung, Harold helfen zu können, bestand auch darin, bei Bewusstsein und aufrecht zu bleiben.
Augenblicklich erlahmte ihr Widerstand.
„Gut“, grunzte der Mann. Er belohnte sie, indem er den Druck auf ihre Kehle ein klein wenig verringerte. Ihre Füße trafen im selben Moment auf den Boden, in dem sich ihre Kehle verkrampfte. Laut keuchend spürte sie, wie sich die Luft brennend den Weg zurück in ihre Lungen suchte. Wenn sie frei gewesen wäre, hätte sie sich vornübergebeugt, um besser atmen zu können, aber der Mann hatte den Arm nach wie vor um ihren Hals geschlungen und machte ihr unmissverständlich klar, wer hier der Boss war.
Der Rand der Waffe bohrte sich in ihre Schläfe, bis die Haut aufplatzte. Ein Rinnsal warmen Bluts tropfte ihr seitlich übers Gesicht.
Mit jedem erstickten Atemzug atmete sie eine Übelkeit erregende Mischung aus widerlichem Schweiß und einem teuren Rasierwasser ein, das diesen wohl überdecken sollte. Die Mischung war so widerlich, dass es ihr beinahe leidtat, wieder atmen zu können.
Draußen vor dem Schaufenster eilte ein Geschäftsmann vorbei, dessen Mantel vom Wind gepeitscht wurde. Als einige schwere Tropfen auf den Bürgersteig klatschten, hielt er sich eine weinrote Lederaktentasche über den Kopf, um sich vor dem einsetzenden Regenguss zu schützen.
Er hätte sich genauso gut auf dem Mond befinden können.
Trainingsanzug sah auf seine Uhr und warf Ledermantel einen Blick zu. „Es ist Zeit.“
Der Mann hob Grace erneut einfach hoch, und die drei Männer – Ledermantel trug sie einfach mit sich, als ob er mit seiner Puppe nur in einen anderen Teil des Spielplatzes ginge – marschierten so kompakt und diszipliniert wie eine Phalanx in aller Eile auf eine Seitentür zu, von der Grace wusste, dass sie auf eine schmale Gasse neben der Galerie führte. Sie hatte Harold einmal geholfen, Kartons in die Gasse zu schaffen, eine dunkle, feuchte Sackgasse – der wilde, düstere Kontrapunkt zu der luftigen Anmut und dem Licht der Galerie.
In die nördliche Wand der Galerie war ein kleines Fenster eingelassen, das auf diese Gasse hinausging. Als sie hindurchsah, keuchte sie auf. Dort standen zwei weitere Männer. Der eine zielte mit einer großen schwarzen Waffe auf den Rücken des anderen. Der Mann mit der Waffe war groß, kräftig gebaut, mit langen rötlich braunen Haaren. Sein Opfer war kleiner, breiter, mit kurz geschorenen dunklen Haaren.
Der langhaarige Mann mit der Waffe bewegte langsam den Finger am Abzug. Grace wurde zu ihrem Entsetzen klar, dass sie kurz davorstand, Zeugin eines kaltblütigen Mordes zu werden. Sie hätte dem Opfer eine Warnung zugerufen, wenn sie es nur gekonnt hätte, aber sie hatte kaum genug Luft zum Atmen. Und selbst wenn sie hätte schreien können, wäre durch Harolds dickes Fenster nicht sehr viel nach draußen gelangt.
Allerdings begann sie sich instinktiv wieder gegen den Mann zu wehren, der sie festhielt, und versuchte, irgendeinen Laut von sich zu geben. Wenn es ihr vielleicht gelänge, gegen die Mauer zu treten …
Mit einem Mal verschwand das dunkelhaarige Opfer aus ihrem Blickfeld, und Grace erstarrte verblüfft. Eben war er noch da gewesen, und dann … nicht mehr. Er war einfach weg.
Der Gorilla, der sie festhielt, bewegte sich zusammen mit den beiden anderen Schlägertypen auf das kleine Fenster zu, von dem aus sie die Gasse einsehen konnten. Dort merkte sie, dass der Mann nicht verschwunden war, er war einfach nur zu Boden gefallen, wie ein Stein. Grace dachte schon, der andere hätte ihn erschossen, aber es sah fast so aus, als ob …
Oh mein Gott, ja! Er war nicht niedergeschossen worden – er kämpfte. Vom Boden aus! Und es hatte sogar den Anschein, als ob er den Sieg davontrüge. Er hielt seinen Gegner in einem kompliziert aussehenden
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