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Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit

Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit

Titel: Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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mehrfach gefeuert worden: als Kellnerin, Lehrerin und – nach einem absoluten Minusrekord in Bezug auf die Dauer des Jobs – Verkäuferin bei Macy’s, wo sie Frauen, die ihr vollkommen gleichgültig waren, dazu ermuntern sollte, Dinge zu kaufen, die sie für absurd und nutzlos hielt.
    „Ah. Er mal wieder.“ Harold hielt inne und nahm ein Porträt in die Hand. Das kleine Ölbild zeigte einen Mann mit scharfen Gesichtszügen, dunklen Augen und kurzem dunklem Haar in Frontalansicht. Ernst und eindrucksvoll, mit einer gezackten weißen Narbe auf der einen Seite seines Gesichts. „Anders, aber immer derselbe.“ Harold sah sie mit wissenden Augen an. „Sind die Albträume wieder da?“
    Grace wandte den Blick ab. Sie schämte sich, dass sie Harold einmal, als sie nach einer schlaflosen Nacht sehr erschöpft war, anvertraut hatte, dass sie häufig unter Albträumen litt.
    Obwohl es eigentlich keine Albträume waren. Nicht wirklich. Nicht immer. Nur sehr … lebhafte Träume, voller Farben und Klänge. Häufig von Gefahr und seelischer Qual durchdrungen. So vollkommen anders als der ruhige Verlauf ihrer Tage, waren ihre Nächte von Blut und Aufruhr geprägt.
    Sehr oft träumte sie von einem Mann. Es war jedes Mal derselbe, wenn seine Züge auch jedes Mal unterschiedlich waren. Sie sah sein Gesicht sowieso nie sehr deutlich, erhaschte immer nur flüchtige Blicke, wie durch einen dichten Nebel hindurch.
    Eine kräftige Kinnpartie, schmale Nase, verschleierter Blick. Wenn sie tagsüber versuchte, den Mann auf Papier einzufangen, lösten sich seine Züge gleichsam auf. Jedes Porträt, das sie von ihm anfertigte, war anders. Das Einzige, was all diesen Männern gemeinsam war, waren schroffe Züge, dunkle Augen, kurzes dunkles Haar und eine weiße Narbe, die sich wie ein Blitz über die linke Seite ihres Gesichts zog.
    Häufig sah sie ihn nur von hinten, wie er davonging. Und jedes Mal wenn sie ihn fortgehen sah, lag ein ausgeprägtes schmerzhaftes Gefühl von Verlust in der Luft. Es war ihr nie möglich, ihm zu folgen, auch wenn sie sich danach sehnte. Auf irgendeine Art und Weise steckte sie immer in der grauenhaften Paralyse der Traumwelt fest.
    Diese Albträume wurden von Stress verursacht, wie sie wusste. Sie hatte jedes Buch gelesen, das zu diesem Thema erschienen war, da der Besuch eines Spezialisten nicht infrage kam. Dazu hatte sie weder die Zeit noch – um der Wahrheit die Ehre zu geben – die Neigung.
    Was konnte ihr ein Seelenklempner schon erzählen, das sie noch nicht wusste? Dass sie aus einer extrem gestörten Familie kam? Das war nun wirklich nichts Neues. Dass ihre Kindheit und Jugend vom Weggang ihres Vaters geprägt waren, als sie acht war, und dem Verfall und der Gleichgültigkeit ihrer Mutter? Dass sie sich derart in ihre Kunst versenkte, weil sie in dieser Welt nicht besonders gut zurechtkam? Auch keine Überraschung.
    Nein, eine Analyse wäre nur eine Riesenverschwendung ihrer Zeit und ihres Geldes. Grace fand, dass sie eigentlich im Großen und Ganzen ganz gut klarkam. In Bezug auf das, was sie tun konnte oder nicht tun konnte.
    „… Rahmen?“
    Oh Gott, jetzt war es schon wieder passiert! Sie hatte mitten in der Unterhaltung mit einer anderen Person abgeschaltet. Noch dazu war diese andere Person kein Geringerer als Harold. Sicher, er mochte sie. Mit seinem einzigen Sohn hatte er keinen Kontakt mehr, und er behandelte sie wie eine geliebte Tochter. Im Laufe der Zeit waren sie sehr gute Freunde geworden. Genau genommen redete Grace in den wenigen Stunden, die sie jeden Monat in seiner Galerie verbrachte, mit Harold mehr als mit jedem anderen menschlichen Wesen.
    Zugleich war sich Grace aber stets sehr bewusst, dass sie ihm jeden einzelnen Cent verdankte, den sie verdiente. Ihm nicht zuzuhören, wenn er mit ihr sprach, war unglaublich unhöflich und – schlimmer noch – dumm.
    „Tut mir leid, Harold, ich hab gerade nicht … “
    Er stieß sein typisches bellendes Lachen aus und legte ihr leicht die Hand auf die Schulter. „Mach dir nur keine Sorgen, meine Liebe. Wo auch immer du bist, wenn du das tust, dieser Ort muss sehr viel aufregender sein als mein Geplapper über Passepartouts und Rahmen.“
    Grace lächelte beschämt. Wenn er über Passepartouts und Rahmen sprach, ging es dabei um ihr Werk. Harold gab sich die größte Mühe, dass jedes Gemälde, jedes Aquarell und jede Zeichnung auf die bestmögliche Art und Weise präsentiert wurden.
    Auch wenn ihr geheimnisvoller Käufer sowieso

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