Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
berührte.
„Sag … willst du mich hängen sehen?“
St. John wollte antworten. Hineinsprechen in die samtene Weichheit dieser Stimme und verspürte doch nur ein scharfes Kratzen in seiner Kehle, das kein Wort zustande kommen ließ. Es war mehr als nur eine Frage. Es waren Worte, aufreizender als der volle, entblößte Körper einer Vaudevillediseuse. Atem, heißer als Höllenfeuer.
St. John schloss für einen Moment die Augen, dann sammelte er all seine Kraft, riss sich zusammen. Sein Körper ruckte. Seine Schultern wanderten nach hinten, wie er es beim Exerzieren gelernt hatte und seine Brust wurde nach vorne gedrückt.
„Ich will den Mörder dieser Frauen hängen sehen“, erklärte er fest und sicher. Wenn dieser Ganove Spielchen mit ihm spielen wollte – das konnte er haben. Und dann wagte er es erneut, sah in O’Malleys Augen: „Und wenn Sie dieser Mörder sind, O’Malley, dann will ich Sie hängen sehen. Vorerst aber will ich von Ihnen nur wissen, ob Sie Catherine Eddowes kannten.“
Unerwartet stieß sich O’Malley von ihm ab und begab sich zu der Waschschüssel, in deren eisernem Gestell auch eine Kanne stand. Aus dieser goss er Wasser in die Schale und begann, sich seelenruhig zu waschen. Als er fertig war, sein Haar glitzerte jetzt von der Nässe und einzelne Locken klebten an seinen Wangen, trocknete er sich mit einem blütenweißen Handtuch ab. „Ja. Ja, ich kannte Kate. Wie auch nicht. Sie hat im Revier der Dogs angeschafft.“
Um St. John begann sich das Zimmer zu drehen, als könne sein Geist den Kampf um seine Disziplin nicht mehr lange durchhalten. Dabei war es jetzt O’Malley, der den ruhigen, sachlichen Ton an den Tag legte, um den er selbst sich so bemüht hatte.
„Wo waren Sie in der Nacht, als Catherine Eddowes ermordet wurde?“
O’Malley nahm ein Hemd vom Bett und zog es über, während St. John unsicher war, wie viele Fragen er überhaupt noch beantworten würde. „Ich war mit ein paar Dogs auf Streife durch das Viertel.“
„Ist Ihnen etwas aufgefallen?“
„Frauen, die vergewaltigt werden?“ St. John nickte. „Männer, die beraubt und zusammengeschlagen werden?“ St. John nickte abermals. „Prostitution, Besoffene, Schlägereien, Kinder, die sich verkaufen?“ St. John nickte nicht mehr. „Ja. Ja, das habe ich alles gesehen. Aber das war wie immer. Einfach wie immer. Nichts Besonderes.“
Der Blick, den er St. John zuwarf, war düster und seine vollen Lippen zogen sich über den Zähnen zurück, dass er nicht wusste, ob O’Malley grinsen oder knurren wollte.
St. John richtete sich auf. Mit einem knappen Nicken ging er zur Tür. „Wenn ich noch Fragen habe, melde ich mich wieder bei ihnen.“
„Jederzeit, Inspector. Jederzeit.“
Er hatte dieses Gespräch komplett falsch angepackt. Von Anfang an. Er war ohne einen vernünftigen Plan in dieses Bordell marschiert. War von der irrigen Annahme ausgegangen, dass er es mit O’Malley mit einem gewöhnlichen Gauner zu tun hatte. Einem Typen, der so dumm war, dass er sich die Schuhe kaum allein zubinden konnte. Und was fand er vor? Einen gerissenen Hund, der mit allen Tricks arbeitete, um ihn zu irritieren. Abzulenken.
Er stieg in die wartende Kutsche und wies den Kutscher an, ihn zum Eaton Place zu fahren, wo er ausstieg und die vier Stufen zur glänzend schwarz gestrichenen Haustür emporstieg. Er klopfte mehrmals mit dem schweren Messingring gegen den grimmigen Löwenkopf, unter dem die Aufschrift prangte: „Nemo me impune lacessit!“
Seine Blicke verweilten noch auf den geschwungenen Buchstaben, als die Tür geöffnet wurde und ein livrierter Butler sich verbeugte und gleichzeitig so weit öffnete, dass St. John eintreten konnte.
„Sind meine Eltern zu Hause?“, fragte er, als er in die weitläufige Halle eintrat, die von einem wundervollen offenen Kamin dominiert wurde. Schwarze und weiße Einlegearbeiten empfingen jeden Besucher und verströmten, zusammen mit den überall angebrachten Stichen, den Eindruck klassischer Eleganz und alten Vermögens.
Der hinzugeeilte Diener nahm St. John den Mantel ab und zog sich rückwärts in das Halbdunkel des Vestibüls zurück, während St. John, geleitet vom Butler, das Empfangszimmer betrat.
Hier fanden sich der kleine Schreibtisch seiner Mutter, ein üppiger Ledersessel mit diversen Klubsesseln sowie mehrere kleine Tische. Auf einem standen Karaffen, aus denen St. John sich in ein schweres Gas aus geschnittenem Bleikristall einschenkte.
„Ihre Eltern
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