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Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Titel: Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Norton
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auf die Darstellungen der neuesten Pariser Garderobe gefreut hätte, geschwelgt hätte in Volants, Rüschen und Stickereien, empfand sie jetzt ein seltsames Missvergnügen. Ja, fast schon eine Art von Angewidertsein.
    Sie kannte die Preise für französische Kleider, selbst wenn man sie in London lediglich kopieren ließ. Und sie wusste nur allzu gut, wie lange eine Arbeiterfamilie aus der Suppenküche vom Wert einer solchen Robe hätte leben können.
    Doch nie zuvor war ihr in den Sinn gekommen, dass es zwischen diesen Dingen Zusammenhänge geben könnte. Erst, seit sie Jeffrey hatte sprechen hören, empfand sie sich als Teil von etwas Schlechtem. Aber konnte es wirklich sein, dass sich ihr Selbstbild gewandelt hatte von diesen paar Sätzen, die sie ihn hatte sagen hören?
    Dass diese eisblauen Augen, diese starken Arme, diese sich hebende und senkende Brust genügt hatten, sie aus allen Bahnen zu werfen, in denen sie sich bisher mit solcher Ruhe bewegt hatte?
    Ob er an diesem Abend wieder zur Suppenküche kommen würde, um sie alle mit seiner Ablehnung zu überziehen? Sie hoffte es. Sie hoffte es mit jeder Faser ihres Herzens. Urplötzlich sah sie ihn vor sich. Beschwor seinen Anblick. Ihre Brust zog sich zusammen und wie heiße Lava ergoss es sich in ihre Adern.
    Ohne es wirklich wahrzunehmen, hatte sie die Hefte zu-sammengerollt und in den Papierkorb geworfen.
    St. John saß in seinem Büro und lauschte auf das regelmäßige Klopfen des Regens an der Fensterscheibe. Die Seiten der Akte des Mordes an Catherine Eddowes lagen vor ihm und er hatte seit Stunden das Gefühl, die Dinge verwirrten sich, anstatt sich zusammenzufügen. Er zuckte zusammen, als die Tür aufgerissen wurde und eine zerlumpte Gestalt eintrat. Den Mann umgab eine dichte Wolke. Er roch intensiv nach Mist und St. John widerstand gerade noch dem Drang, ein parfümiertes Taschentuch vors Gesicht zu pressen. „Ja?“, sagte er knapp.
    „Gott zum Gruß, Mister Sir“, sagte der Mann, knautschte eine Stoffmütze von undefinierbarer Farbe in den knotigen Händen und nickte.
    St. John wusste nicht, ob er dem schmutzigen Kerl einen Sitzplatz anbieten sollte. „Was kann ich für sie tun?“, fragte er stattdessen und erntete einen Blick, der zwischen Schrecken und Verblüffung schwankte.
    „Ähm … also mein Name ist Martin Digby. Ich … also … ich bin eigentlich … also ich komm aus dem … ja … so.“
    St. John sah ihn unverwandt an. „Nun, Mr. Digby?“
    Jetzt rissen die Hände bereits an der Mütze. „Ja, ich hab doch gehört, dass man eine Belohnung ausgesetzt hat, für denjenigen, der den Nuttenmörder bringt.“
    Augenblicklich wurde er hellhörig. Im Gegensatz zu seinen Kollegen war er noch nicht abgestumpft. Es fehlte die Legion ermüdender Erlebnisse mit Wichtigtuern, die viel schwätzten und doch nichts zu sagen hatten. Die einem die Zeit damit raubten, dass sie einen auf falsche Fährten jagten.
    „Ja. Ja. Gewiss. Es ist eine Belohnung ausgesetzt. Und Sie wollen sie sich jetzt holen, wie?“
    Der Mann nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
    „Das ist nun verwirrend, Mr. Digby“, tadelte St. John.
    „Ja, also … Mister … Sir. Ich wollte eigentlich nur melden, was ich gesehen habe … wegen Kate. Kate Kelly.“
    St. John musste sich einen Moment besinnen, von wem der Mann sprach. Dann erinnerte er sich, dass Catherine Eddowes öfter den Namen „Kate Kelly“ benutzt hatte, in Anlehnung an ihren Lebensgefährten.
    „Ja. Ich bin im Bilde. Weiter!“
    „Ja, nun … Ich sammle doch den Mist von der Straße … also den Mist von den Pferden …“
    Jetzt begriff St. John, warum Digby derart intensiv roch.
    „Und da bin ich am späten Nachmittag vor dem Mord in der Nähe der Whitechapel High Street entlanggekommen mit meinem Karren und da habe ich die Kate stehen sehen. Na, ja. Stehen … Se hat sich an nem Fensterbrett festgehalten, weil se sonst umgekippt wär.“
    „War sie allein?“
    Der Mann schüttelte heftig den Kopf, und als er fertig war, erklärte er: „Nee, nee. Mister … Sir … Da war ein Mann bei ihr. Se ham gestritten. Schätze mal, weil die olle Kate so blau war wie’n Veilchen.“
    „Und mit wem hat Mrs. Eddowes gestritten? Konnten Sie den Mann erkennen?“
    Da ergab sich eine plötzliche Wandlung in Digby. Seine Augen gewannen eine gewisse Starre. Das Kneten der Mütze endete abrupt und er hielt ganz offensichtlich die Luft an. Dann drehte er sich um und steuerte die Tür an. Es schien, als sei ihm

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