Gefährlicher Sommer
durch die geöffnete Tür der Box. Ein leises Schnauben, warmer Atem, sanfte, dunkle Augen im Dämmerlicht des Stalls. Pat atmete tief durch. Endlich fühlte sie sich wieder in ihrem Element. Endlich konnte sie wieder eine weiche Pferdenase streicheln und ihren Kopf gegen eine dichte, raue Mähne pressen. Dieser Apfelschimmel hier war nicht Fairytale, ihre kleine rotbraune Stute, aber er war immerhin ein Pferd.
»Ich möchte auf Sammy reiten«, bat sie. »Manuel, erlaubst du es mir?«
Manuel nickte großzügig und ahnte nicht, wie viel Bewunderung er sich dafür bei Pat einheimste. Sie selber erlaubte niemals einem anderen, nicht einmal ihren besten Freunden, auf Fairytale zu reiten.
»Und das ist Nina!«
Nina war eine helle Fuchsstute, nicht sehr groß und ein wenig rundlich. Sie suchte gleich die Hosentaschen der Reiter nach Zuckerstücken ab und bohrte jedem ihren harten Kopf in den Bauch.
Diane verliebte sich sofort in sie. »Ist die nett! Das ist ja ein entzückendes Pferd! Manuel ...«
»Ja, du solltest sie reiten. Sie passt zu dir, und du wirst auch gut darauf aussehen, weil du ziemlich klein bist. Chris und ich werden dann zwei fremde nehmen.«
Es standen noch vier weitere Pferde im Stall. Die Besitzer, die auch gerade vorbeikamen, erwiesen sich als sehr nett und hatten keine Bedenken, Chris eines von ihren Tieren zu überlassen. Sie besprachen sich mit Manuel, und der nickte. »Am besten wäre Domingo, das ist der schwarze Wallach dort hinten. Er ist ziemlich brav, aber keineswegs temperamentlos. Du kommst sicher mit ihm klar.«
Manuel selbst entschied sich für Mirko, einen Schimmel, der begeistert aus seiner Box hinausdrängte. Offenbar war er längere Zeit nicht bewegt worden. Es gab ein paar Felder rings um La Laguna, ein paar Wiesen, dann wieder Hügel und Geröllhalden. Aber Manuel wusste, wo man gut reiten konnte. Schon bald trabten sie durch die Dämmerung. Ein kühlerer Wind war aufgekommen, er wehte vom Meer her ins Land und gab den Pferden Schwung. Auch Tobi hatte sich diesmal nicht abschütteln lassen. In großen Sprüngen jagte er neben den Reitern einher, etwas seltsam anzuschauen, denn während ihre Gäste am Strand gewesen waren, hatte ihm Brigitte das Fell gestutzt. Statt seiner dichten Wuschellocken trug er jetzt kurze Haare. Pat war zuerst entsetzt gewesen. Aber Brigitte hatte erklärt, es sei eine Quälerei, das Tier mit einem so dicken Fell herumlaufen zu lassen. »So fühlt er sich viel wohler. Und außerdem wächst es ganz bald wieder nach. Du wirst sehen, wenn du wieder in Deutschland bist, ist er fast schon der Alte!«
Insgeheim musste Pat ihrer Tante recht geben. Tobi wirkte wirklich viel munterer.
Es war ein herrliches Gefühl, wieder zu reiten. Sie hatten es alle vermisst. Das Dröhnen der Hufe, die rhythmischen, kraftvollen Bewegungen der Pferde, das Schnauben, der Wind im Gesicht. Sie flogen nur so dahin, und nur einmal kurz kam Diane der Gedanke: Arme Angie! Sie weiß gar nicht, was sie sich entgehen lässt.
Angie war mit dem Bus nach Santa Cruz gefahren, und Manuel hatte ihr erklärt, wie sie von der Haltestelle zur Disko käme. Brigitte war natürlich nicht sehr erbaut gewesen.
»Wer ist denn dieser Christopho?«, fragte sie gedehnt. »Ich meine, weißt du irgendetwas über ihn?«
»Ein bisschen was. Wo er wohnt und dass er in einer Disko jobbt. Dorthin hat er mich jetzt eingeladen, und das ist doch ganz harmlos!«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Wie kommst du zum Beispiel zurück? Du musst mir versprechen, dass es nicht nach elf Uhr wird. Ich will nicht, dass du in tiefster Nacht allein von der Bushaltestelle hierher läufst!«
»Nicht nach elf. Ich verspreche es.« Angie legte einen bittenden Ausdruck in ihre Augen. Felipe, der in einem Sessel saß und in der Zeitung blätterte, zwinkerte. »Angie ist kein Papagei«, sagte er. »Sie wird also nicht gestohlen!«
»Was soll denn das heißen?«, fragte Brigitte verwirrt.
»In der Zeitung steht es. Diebe haben den Loro-Parque in Puerto überfallen und dreißig wertvolle Papageien gestohlen. Der Polizei tappt im Dunkeln.«
» Die Polizei«, korrigierte Brigitte. »Da siehst du, was auf dieser Insel alles passiert! Aber in Ordnung, Angie, ich will dir ja nicht dein Rendezvous verderben! Du fährst aber mit niemandem im Auto mit, versprichst du mir das?«
Angie versprach ihr auch das und war dann erleichtert, endlich zu entkommen. Sie hatte sich sehr sorgfältig zurechtgemacht: die Haare gewaschen und so
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