Gefährlicher Sommer
seltsamen Anblick, denn der schwarze, vulkanische Sand Teneriffas klebte an ihren nassen Körpern.
»Macht nichts«, sagte Diane, »das fällt wieder ab. Ich habe einen furchtbaren Hunger, ihr auch?«
Pat trabte los, um etwas zu trinken zu kaufen, und kam mit mehreren Flaschen eisgekühlter Cola wieder. Die anderen hatten unterdessen belegte Brote ausgepackt, hart gekochte Eier, Bananen und Orangen und eine Packung mit Schokoladenkeksen. Heißhungrig machten sie sich darüber her.
»Deine Mutter ist ein Engel, Manuel«, sagte Angie und schälte sich eine Banane. »Erst nimmt sie vier wildfremde Jugendliche und einen Hund bei sich auf, und dann verwöhnt sie uns auch noch so!«
Bei dem Wort »Hund« bekam Pat ein trauriges Gesicht. Schweren Herzens hatte sie Tobi heute zu Hause gelassen. Brigitte hatte ihr dazu geraten. »Am Strand in der prallen Sonne kann er einen Hitzschlag kriegen, Pat. Lass ihn bei mir, im Haus ist es kühl. Ich kümmere mich um ihn.«
»Meint ihr, Tobi geht es gut?«, fragte Pat nun. »Hoffentlich denkt er nicht, ich hätte ihn für immer verlassen!«
»O Pat, du hast wirklich immer dieselben Probleme!«, stöhnte Diane. »Dein Hund und dein Pferd! Zur Abwechslung könntest du ja auch einmal nach deinem geliebten Tom weinen!«
Pat war gekränkt. »Ihr glaubt wohl, mir hätte das gar nichts ausgemacht, Tom in diesen Ferien nicht um mich zu haben! Seit Weihnachten habe ich mich auf diese Zeit gefreut. Aber darüber spreche ich eben nicht gern, nur ihr merkt das nicht, weil ihr kein Taktgefühl habt.«
Angie klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. »Reg dich nicht auf, Kleines. Keiner wird dich mehr in deinem stillen Liebesschmerz stören. Wie ist es, soll ich zu der Eisdiele da hinten laufen und für jeden ein Eis kaufen?«
Chris grinste und tippte mit dem Finger provozierend auf Angies neue Uhr. »Kein Eis in diesen Ferien, Angie - hast du das schon vergessen?«
Angie verzog das Gesicht. »Ihr könntet mir ja alle zusammen eines spendieren!«
»Genau das habe ich kommen sehen«, sagte Pat. »Mir war ja gleich klar, dass unsere liebe Angie nicht auf ihre tägliche Süßigkeitenration würde verzichten können.«
»Ich finde, es ist eine faire Sache, dass ihr mir mein Eis bezahlt, wenn ich dafür loslaufe und mich durch das Menschengewühl kämpfe und euch euer Eis herbeischleppe!«, entgegnete Angie.
Das sahen die anderen ein. Angie sammelte ein paar Euros ein, stand auf und klopfte sich den schwarzen Sand ab, der schon getrocknet war. »Bis gleich«, sagte sie und war schon verschwunden.
Vor der Eisdiele hatte sich eine lange Schlange gebildet, die Mittagshitze machte allen Urlaubern am Strand zu schaffen, jeder hatte Lust auf ein Eis. Angie stellte sich geduldig an. Sie überlegte gerade, wie sie es schaffen sollte, fünf Portionen Eis bis zum Strand hinüberzutransportieren, als sie spürte, wie jemand sie unverwandt ansah. Rasch blickte sie auf. Neben ihr stand ein Junge, sechzehn oder siebzehn mochte er sein, und schaute sie an. Auf den ersten Blick erkannte sie, dass er Spanier sein musste. Tiefschwarzes Haar, dunkelbraune Augen, olivfarbene Haut. Er war groß und muskulös, trug nichts als ein Paar Shorts aus gebleichtem Jeansstoff. Auf seiner nackten Brust baumelte ein Amulett.
Angie grinste. »Ich hab' doch meine Nase noch mitten im Gesicht, oder?«, fragte sie.
Der Junge schaute erstaunt und sagte dann etwas auf Spanisch.
Angie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich kann Spanisch nicht verstehen.«
Offenbar verstand der Junge kein Deutsch, denn er antwortete erneut mit einem Schwall spanischer Wörter. Angie zuckte mit den Schultern. Ohne Umschweife griff der Junge ihren Arm, zog sie aus der Schlange und schob sie an einen freien Tisch. Einladend wies er auf einen Stuhl. Angie begriff: Er wollte ihr ein Eis spendieren.
Zögernd setzte sie sich. Der Junge strahlte.
Er hat ein sympathisches Lächeln, dachte Angie, und überhaupt ist er bildhübsch. Wie dumm, dass wir uns nicht unterhalten können.
Der Junge wies auf sich und sagte: »Christopho!«
Angie nickte. »Angie«, sagte sie. Und dann fing sie an zu lachen, denn es war zu befürchten, dass das Austauschen der Namen das Einzige blieb, was sie beide kapierten. Christopho stimmte in das Lachen ein. Dann lehnte er sich über den Tisch und griff nach einer von Angies langen, blonden Haarsträhnen. Er sagte etwas, das bewundernd klang. Angie lächelte. Sie erregte oft Bewunderung mit ihren Haaren, die bis zur
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