Gefährlicher Sommer
gelang es ihr dann, ein Auto anzuhalten, und die Leute könnten sie zur Polizei fahren.
Bergab zu laufen, tat ihrem Bein noch mehr weh als bergauf, und sie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut zu jammern. Sie versuchte sich einzureden, dass sie es gleich geschafft hätte. Nur noch fünf Minuten, sagte sie in Gedanken zu ihrem Knöchel, der inzwischen Wellen von Schmerzen über ihren ganzen Körper jagte, nur noch fünf Minuten, und wir sind an einer Straße und setzen uns in ein schönes, bequemes Auto.
Und fünf Minuten später versicherte sie ihm: Jetzt haben wir es aber wirklich gleich überstanden! Du wirst es sehen!
Auf einmal, es geschah beinahe von einer Sekunde zur nächsten, riss der Nebel auf. Die Schwaden teilten sich und verflogen. Strahlende Sonne lag über dem Wald, helles Licht sickerte zwischen den Bäumen zur Erde. Über den Kronen erkannte Diane einen strahlend blauen Himmel.
Es dauerte nun tatsächlich nicht mehr lange, bis sie die Straße wie ein helles, graues Band vor sich liegen sah. Mit letzter Kraft stolperte sie darauf zu, überquerte einen Graben - ihr Knöchel schien aufzuschreien vor Empörung - und stellte sich zittrig und wackelig an den Straßenrand. Sie hatte keine Ahnung, wie abenteuerlich sie aussah: Arme und Beine waren zerkratzt und blutig, ihr Haar feucht vom Nebel und völlig zerzaust, ihre Kleider verknittert und verdreckt. Über ihr Gesicht liefen noch die Schürfwunden von dem Sturz mit Nina.
Als kleinen Punkt in der Ferne sah sie ein Auto. Sie humpelte in die Mitte der Fahrbahn und fuchtelte wild mit beiden Armen. Das Auto kam näher.
Es war schwarz. Ein schwarzer Kombi. Ein schwarzer Kombi, der langsam die Straße entlangfuhr, damit seine Insassen rechts und links Ausschau halten konnten nach einem blonden Mädchen in weißen Shorts und gelbem T-Shirt, das ihnen allen sehr gefährlich werden konnte.
Diane begriff zuerst nicht, was sie sah. Erst dann setzten sich die Eindrücke langsam in ihrem übermüdeten, schmerzerfüllten Kopf zusammen: ein schwarzer Kombi ...
Sie rutschte in den Straßengraben, blieb flach und geduckt liegen, zitternd vor Angst. Wenn die sie bereits gesehen hatten, war sie verloren.
Sie hörte, wie der Wagen hielt. Eine Tür flog auf. Sie mussten sie gesehen haben, sonst würden sie nicht halten. Gleich war alles vorbei. Noch wenige Minuten und eine Hand würde nach ihr greifen, sie emporziehen, in das Auto stoßen ...
Ein zweites Motorengeräusch erklang. Es kam aus der anderen Richtung. Ein Auto kam den Berg herauf.
Diane wagte es. Sie sprang auf, ohne Rücksicht darauf, dass ihr vor Schmerz beinahe schwarz vor Augen wurde. Sie sah Carlo und einen zweiten Mann, nur wenige Meter von ihr entfernt. Und sie sah ein grünes Auto den Berg hinaufkommen. Ein lustiges grünes Auto, das vollbesetzt schien mit Menschen. Sie rannte auf die Fahrbahn, winkte und schrie. Da der schwarze Kombi die andere Spur blockierte, blieb dem grünen Wagen nichts anderes übrig, als mit quietschenden Bremsen zu halten.
Ein Mann lehnte sich hinaus. »Was fällt dir denn ein?«, rief er.
Ein Deutscher! Das war nicht mal verwunderlich, denn auf Teneriffa schienen sich ohnehin fast nur Deutsche herumzutreiben, und Diane wäre vor Erleichterung beinahe schon wieder in Tränen ausgebrochen.
»Helfen Sie mir«, keuchte sie. »Bitte ... bringen Sie mich zur Polizei ...«
Der Kombi fuhr an, wendete und preschte in derselben Richtung zurück, aus der er gekommen war.
Jetzt erst merkte der Mann, wie Diane aussah. »Was ist passiert?«, fragte er erschrocken.
Seine Frau, eine dicke Blonde, die ihre roten Oberschenkel aus unerfindlichen Gründen in blaue, zwei Nummern zu kleine Shorts zwängen musste, sah Diane an. »Die muss überfallen worden sein«, raunte sie ihrem Mann zu. »Guck mal, die ist ja blutüberströmt!«
Auf dem Rücksitz drängelten sich drei Kinder, die einander fast umbrachten bei dem Versuch, nach vorne zu klettern und Diane ebenfalls anzustarren.
»Zur Polizei?«, fragte der Mann.
»Oder nach La Laguna zu meinen Freunden.«
»Wir kommen gerade aus La Laguna ...«
»Wir wollten ein Picknick machen«, sagte die Frau quengelig.
Diane dachte, dass es ihr und ihrer Figur wesentlich besser bekommen würde, wenn sie darauf verzichtete, aber sie sagte natürlich nichts.
»Bitte, helfen Sie mir. Ich bin entführt worden. Ich muss sofort nach Hause oder zur Polizei!«
»Steigen Sie ein«, sagte der Mann, während seine Frau und seine Kinder
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