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Gefährlicher Sommer

Titel: Gefährlicher Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ans Werk gehen«, hatte der Chef seine Leute ermahnt. »Carlo ist dafür bekannt, dass er nicht lange fackelt. Der bringt es fertig und erschießt das Mädchen. Das wäre eine absolute Katastrophe. Deshalb: Kein unüberlegter Schritt! Kein direkter Angriff! Wir müssen jeden Schritt sorgfältig überlegen.«
    Insgeheim machte er sich große Sorgen. Ausgerechnet eine deutsche Urlauberin. Eine fantastische Werbung für die Ferieninsel im Atlantik. »Vierzehnjähriges deutsches Mädchen von Verbrechern erschossen - Polizei machtlos.« Er sah die Schlagzeilen bereits vor sich.
 

 
    Am frühen Morgen floss eine Spur Sonnenlicht in Dianes Zimmer, aber kurz darauf senkte sich bereits der Nebel über den Mercedes-Wald, und im Nu war das Haus umhüllt von wogenden weißen Schleiern. Nur schwach schimmerten die Bäume durch das dichte Meer. Als Diane das Fenster öffnete, quoll feuchte, kalte Luft in das Zimmer und ließ sie frösteln. Es roch nach nassem Gras.
    Um neun Uhr erschien die Frau mit einem Frühstückstablett. Diane begriff, dass sie für Carlo nun offenbar einen gewissen Wert darstellte, denn das Frühstück war nicht schlecht: Kaffee, der bitter schmeckte, aber immerhin die Lebensgeister weckte, zwei Brötchen, Butter, Käse und ein hart gekochtes Ei. Da nicht anzunehmen war, dass sich Vorräte im Haus befunden hatten, musste einer der Männer heute Morgen irgendwo eingekauft haben. Wahrscheinlich war er ganz gelassen in einen »Supermercado«, einen Supermarkt, hineingegangen und hatte zusammen mit zwei Dutzend Urlaubern an der Kasse gestanden - und die vielen braven Familienväter hatten keine Ahnung gehabt, wer sich da zwischen sie drängte.
    Diane hatte solchen Hunger, dass ihr nicht einmal die Angst den Appetit verschlagen konnte. Sie aß alles bis auf den letzten Krümel auf und trank zwei Tassen Kaffee. Danach ging es ihr etwas besser, aber sie fror erbärmlich. Unten in den Tälern schien jetzt die Sonne, und die Touristen gingen zu den Stränden, schmierten sich mit Sonnenöl ein und legten sich zum Braten in die Sonne. Aber hier oben hätte man einen dicken Pullover und lange Hosen gebraucht.
    Sie überlegte hin und her, aber wie sie es auch drehte und wendete, ihre Lage kam ihr aussichtslos vor. Selbst wenn die Polizei sie fände ..., im Grunde musste sie genau vor dieser Möglichkeit Angst haben, denn in dem Moment, wo hier die Polizei erschiene, würde ihre Lage kritisch. Dann würde sie wirklich in Gefahr schweben.
    Ihr ganzes Leben hatte Diane ein wenig im Schatten ihrer Schwester Angie gestanden. Aber sie war von ihr auch immer beschützt worden. In jeder Lebenslage hatte Angie bestimmt, was geschehen sollte. Auch wenn es manchmal brenzelig geworden war - Diane hatte Angie angesehen, und Angie hatte mit hocherhobenem Kopf ihren Entschluss verkündet. Immer hatte sie eine Lösung, einen Ausweg gewusst. Und Diane hatte stets in der beruhigenden Gewissheit gelebt, dass ihr nichts passieren konnte. Angie würde schon alles in Ordnung bringen.
    Aber jetzt, in dieser schwierigsten Situation, der sie sich jemals ausgesetzt gesehen hatte, war Diane allein. Sie setzte sich hin, versuchte ruhig zu werden, atmete tief durch und überlegte, was Angie an ihrer Stelle tun würde.
    Die Antwort fiel ihr nicht schwer: Angie war kein Mensch, der sich hinsetzte und wartete, was das Schicksal ihr brachte. Angie entschied selbst den Lauf der Dinge - sofern es nur irgendeine Möglichkeit gab. Angie würde versuchen, einen Weg zu finden, um zu entkommen.
    Das Abflussrohr. Diane begriff, dass sie im Grunde schon in der Nacht den einzigen Ausweg gesehen hatte. Aber ...
    Sie trat noch einmal ans Fenster und öffnete es. Sofort schlugen vor Kälte ihre Zähne aufeinander. Sie erinnerte sich daran, was Manuel ihnen gleich nach ihrer Ankunft auf Teneriffa erzählt hatte: »Es klingt verrückt, aber sehr oft ist es im Anagagebirge kalt, neblig oder stürmisch, während man unten an der Küste in der Sonne schwitzt und es vor Hitze kaum aushält!«
    Sie überlegte: Wenn es ihr tatsächlich gelang, ihr Gefängnis zu verlassen, dann musste sie sich in den nebligen Wäldern verstecken, und davor graute es ihr. Aber sie sagte sich, dass ihr dort nicht wirklich etwas passieren konnte. Es gab keine wilden Tiere, nichts, wovor sie Angst haben musste. Die Gefahr lauerte hier in diesem Haus, nicht da draußen im Nebel.
    Wenn sie sich weit hinauslehnte, konnte sie das Abflussrohr mit den Händen umfassen. Es fühlte sich glatt und

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