Gefährlicher Sommer
gegangen. Christopho begleitete sie. Er war froh, dass er Angie unversehrt wiederhatte, aber das Schicksal ihrer Schwester bekümmerte ihn. Angie sah wie versteinert aus. Immer wieder sagte sie: »Ich muss doch etwas tun! Ich kann doch nicht einfach herumsitzen!«
»Du kannst jetzt nichts tun«, sagte Chris beruhigend. »Du musst alles Weitere der Polizei überlassen. Ich bin sicher, die lassen nichts unversucht.«
»Aber bis sie sie finden, kann es zu spät sein. Außerdem glaube ich, dass dieser Carlo zu allem entschlossen ist. Mein Gott, warum gerade sie!« Angie zerfleischte sich in Selbstvorwürfen. »Sie wollte das alles nicht! Von Anfang an wäre sie am liebsten nicht mitgekommen. Aber ich habe sie wieder ausgelacht und gespottet, weil sie sich immer fürchtet ...«
»Jetzt mach dir keine Vorwürfe!« Pat legte den Arm um Angie. »Du konntest nicht wissen, was kommen würde. Angie, bitte! Mach dich jetzt nicht verrückt!«
Zu Hause kochten sie sich heißen Kakao und schoben Pizzas aus der Tiefkühltruhe in den Backofen. Es war fast drei Uhr.
»Eine Mitternachtsparty«, sagte Angie traurig. »Aber keine schöne. Letztes Jahr in der Eulenburg waren Diane und ich zu einem Mitternachtsfest am Strand eingeladen. Es war toll. Wir haben uns großartig amüsiert. Allerdings nahm die Sache dann ein abruptes Ende, weil zwei besonders alberne Mädchen es sich genau in dieser Nacht in den Kopf gesetzt hatten, als Gespenster verkleidet eine unserer Reitlehrerinnen zu erschrecken. Sie machten das ganze Haus rebellisch.«
»Und ich schlich in derselben Nacht zum Krähenhof, um meinen Tobi zu befreien«, erinnerte sich Pat und streichelte ihren Hund zärtlich. »Und dabei wurde ich von den Mommsens, diesen Einbrechern, geschnappt. Aber es traf mich besonders schlimm: Man sperrte mich zusammen mit unserer lieben Kathrin ein!«
Trotz der gedrückten Stimmung lächelten Chris und Angie schwach: Ja, die liebe Kathrin. Irgendwie gehörte sie in ihrer ganzen Verschrobenheit schon fast dazu.
Gegen fünf Uhr beschlossen sie, doch noch ein wenig zu schlafen, aber natürlich waren sie viel zu aufgeregt, und eine halbe Stunde später versammelten sie sich nacheinander wieder im Wohnzimmer. Blasse, übermüdete Gesichter, Ringe unter den Augen. Angie hatte stark gerötete Lider. Sie musste heftig geweint haben.
Als sie beim Frühstück saßen, fuhr draußen ein Taxi vor. Wenig später stand Brigitte in der Haustür. Sie starrte auf die Schar, die in der Küche um den Tisch herumsaß und gerade die zweite Kanne Tee leerte, ließ alle Taschen und den Koffer fallen und sagte aus tiefster Seele: »Gott sei Dank!«
In der ersten Minute war ihr natürlich nicht aufgefallen, dass Diane fehlte. Nun schaute sie von einem zum anderen. »Ist etwas? Seid ihr nicht froh, dass die Sache glimpflich abgegangen ist? Meine Güte, ich sollte eigentlich furchtbar böse auf euch sein! Ihr hattet mir versprochen, gut auf euch aufzupassen. Ich kann auch wirklich nicht verstehen, wie ihr so leichtsinnig und unvernünftig sein konntet. Hinzugehen und sich mit Verbrechern einzulassen, von denen niemand weiß ...«
An dieser Stelle stützte Angie den Kopf in die Hände und fing wieder an zu weinen.
»Mami«, sagte Manuel leise, »es ist leider noch nicht alles in Ordnung. Es ist ...« Er zögerte.
Und nun fragte seine Mutter plötzlich scharf: »Wo ist eigentlich Diane?«
Angie schluchzte heftiger.
Brigitte wurde blass. »Ist ihr etwas passiert?«
Manuel stand auf, drückte seine Mutter auf einen Stuhl und holte eine Tasse für sie aus dem Schrank. »Trink erst mal einen Schluck. Und dann erzählen wir dir alles ...«
Die Polizei machte auf der ganzen Insel Stichproben, und sie gingen diesmal mit besonderem Einsatz und größter Aufmerksamkeit vor. Zum einen, weil die Gangster jetzt eine Geisel hatten, ein vierzehnjähriges Mädchen aus Deutschland, was im Falle eines Misserfolges der Polizei sicherlich ein gewaltiges Presseecho hervorrufen würde. (Der Ermittlungsleiter sah in diesem Falle seine Beförderung in weiter Ferne verschwinden.) Und zum anderen hatte die Durchsuchung des geheimnisvollen Schiffes auf dem Meer ergeben, dass man es tatsächlich mit einer Bande von Tierfängern zu tun hatte, nach der schon seit Jahren gefahndet worden war. Der Verdacht, dass es sich bei Carlo um den berüchtigten Carlo handelte, hatte sich fast zur Gewissheit verdichtet. Es würde ein Triumph sein, ihn zu fassen.
»Ihr müsst mit äußerster Vorsicht
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