Gefährliches Begehren
überschritten hatte. Er war auf einer Mission, und sie war keineswegs eine getreue Waffengefährtin.
Und er war kein unbeschwerter Liebhaber, der sich mit dem Flittchen des Dorfes die Zeit vertreiben konnte.
Und doch, diese Lippen auf den seinen waren wie warmer Feuerschein auf kalter Haut …
Alicia atmete tief ein. Sie betrachtete Lord Wyndham unter halb geschlossenen Lidern heraus. Ja, er musterte ganz sicher ihren Busen.
Das war interessant und schmeichelhaft, aber es sagte kaum etwas aus. Ihrer Erfahrung nach beschäftigten sich die meisten Männer – außer Garrett natürlich – vorzugsweise mit Brüsten und mit großen Brüsten insbesondere.
Also schön, sie konnte nichts weiter tun, als das Kompliment zu erwidern. Sie ließ ihren verschleierten Blick langsam über seinen Körper wandern und genoss diesen intimen Diebstahl in vollen Zügen.
Er war so schön anzusehen. Diese breiten Schultern, die Art, wie sich seine Weste an seinen flachen Bauch schmiegte, die Schwellung seiner muskulösen Oberschenkel in seinen enganliegenden Hosen.
Sie ertappte sich dabei, wie sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen fahren wollte. Schockierend, aber verständlich. Es gab nicht viele Männer wie Lord Wyndham auf dieser
Erde. Eine Frau wäre eine Närrin, wenn sie die Augen von ihm ließe, solange sie es nicht musste.
Ihre Augen, ihre Arme, ihren Körper …
Alicia schluckte schwer, dann leckte sie sich endlich die Lippen. Sie konnte ihn noch immer schmecken, schwach und unwiderstehlich. Sie musste verrückt sein, dass sie ihn geküsst hatte.
Dem Himmel sei Dank für diese Form der Verrücktheit. Sie wollte gar nicht daran denken, dass sie ihr Leben gelebt haben könnte, ohne je einen Mann wie Wyndham zu küssen!
Nicht dass sie viele Männer geküsst hätte. Da war dieser gut aussehende junge Tanzlehrer gewesen, der sich die allerkürzeste Berührung ihrer Lippen gestohlen hatte. Wie hatte er noch einmal geheißen? Sie war prompt in heftiger Leidenschaft zu dem Kerl entbrannt und hatte ihn genauso schnell wieder vergessen, als er weitergezogen war. Dann hatte es Almonts kundige, leidenschaftliche Küsse gegeben – an welche zu denken sie nicht ertrug. Niemals.
Und jetzt Lord Wyndham. Anders als Almont gelang es Wyndham absolut mühelos, ihre Leidenschaft anzuheizen. Tatsächlich schien er ziemlich bestürzt gewesen zu sein. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wieder zu entsetzen.
Wyndham räusperte sich. »Wir sind da.«
Alicia stützte die Arme auf den Fensterrahmen und schaute nach draußen, ließ die feuchte Luft ihre erhitzten Wangen kühlen. Die gekieste Auffahrt hinauf zum Herrenhaus von Lord Cross ließ einem hinreichend Zeit, das großartige Äußere des Hauses zu bewundern. Lord Wyndham schien nicht beeindruckt. Sie hatte nicht viel über seinen
eigenen Besitz gehört, aber sie nahm an, dass er den Vergleich mit keinem Haus in Sussex scheute.
Der Himmel verdunkelte sich zur Nacht, als ihre Kutsche vor der großen Treppe des Herrenhauses langsam ausrollte. Überall liefen Lakaien und Dienstmädchen mit Bergen von Gepäck umher. Im selben Augenblick, als Lord Wyndhams Mann die Ausstiegshilfe für sie herabließ, fuhr ein weiterer eleganter Wagen hinter ihnen vor.
Es sah ganz danach aus, als hätte die Party begonnen.
Stanton freute sich auf nichts davon. Es würde laute Musik geben und betrunkenes, unmoralisches Benehmen – und das waren nur die Aktivitäten am Vormittag. Selbstgefälliges Chaos würde von nun an jeden Tag bis zum Abendessen herrschen, wenn die wahren Bacchanalien begannen. Er hatte es viele Male zuvor bereits gesehen, immer aus dem Blickwinkel eines Mannes, der nicht dabei sein wollte.
Ich will nicht hier sein.
Lady Alicia hingegen schien sehr begierig. Sie zog ihn praktisch aus der Kutsche, kaum dass der Lakai die Stufen herabgelassen hatte.
Stanton folgte ihr ostentativ würdevoll. »Ich glaube, die Party wird nicht so rasch vorbei sein, selbst wenn wir uns Zeit lassen.«
»Pst.« Sie hakte sich bei ihm ein. »Es hat bereits begonnen.«
Und das hatte es. Aller Augen schauten sie an. Selbst oben auf der Treppe erschienen Leute in der zweiflügeligen Tür, nur um sie anzustarren.
Zum ersten Mal fühlte Stanton sich ein wenig schuldig, dass er sie derart zur Schau stellte. Es war sicherlich nicht einfach, sich ihres schlechten Rufs derart bewusst gemacht
zu werden. Er legte seine Hand auf ihre. »Habt keine Angst, Lady Alicia …«
Sie wandte sich ihm zu und
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